0427 - Sie entführten ihren Killer

von Sears Boot kam auf unsere Seite. Ich packte Nancy Kattle, riss sie mit auf die andere Seite und ließ mich mit ihr ins Wasser gleiten.
    Sie wachte auf, als das kalte Wasser ihr Gesicht berührte.
    Zuerst versuchte sie, sich von mir loszureißen, aber dann erkannte sie mich und wollte sich wieder fallen lassen.
    »Los, wachen Sie auf! Ich kann Sie nicht halten!«, zischte ich. Sie gab sich einen Ruck. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, als das Salzwasser an ihre Wunden drang, aber es weckte sie auch vollends auf.
    »Können Sie allein schwimmen?«
    Sie nickte und ließ sich langsam von dem Boot wegtreiben. Ich zerrte mein Jackett herunter. Meine Pistole hielt ich zwischen den Zähnen.
    Das Boot hatte sich unter unserem Gewicht noch einmal aufgebäumt, jetzt sank es mit einem dichten Strudel hinab.
    Ich schwamm mit ein paar kräftigen Stößen zurück, um nicht mitgerissen zu werden. Dann war das Boot weg, und Scar konnte mich sehen.
    Er war der einzige, der auf uns achtete, denn die anderen beiden Männer hechteten mit starken Lampen in das Wasser, um die Tasche hochzuholen.
    Über dem Horizont ging gerade in diesem Moment die Sonne fahlgelb auf.
    Als die erste Salve neben mir in das aufgewühlte Wasser knallte und kleine Fontänen hoch jagte, blieb meine Uhr stehen.
    Es war drei Uhr und 44 Minuten.
    ***
    Ich feuerte mein Magazin auf Scar ab, aber er duckte sich hinter die Aluminiumwand seines Bootes.
    Ich sah mich nach Nancy um. Sie war schon recht weit weggekommen, aber jetzt konnte sie nicht mehr. Ihre Arme ruderten nur noch automatisch durch das Wasser und versuchten, mir Zeichen zu geben.
    Ich warf meine Pistole weg und kraulte zu ihr hin. Die Kugeln aus Sears Maschinenpistole folgten mir, aber wie durch ein Wunder traf keine. Ich tauchte von Zeit zu Zeit, aber als ich Nancy erreichte, war ich aus dem Bereich seines Feuers.
    Ich packte sie gerade, als sie absacken wollte und legte eine Hand unter ihr Kinn, dann schleppte ich sie ab.
    Viel Zeit blieb uns nicht, aber bis die Männer das vermeintliche Geld hatten, konnten wir versuchen, möglichst weit zu kommen.
    Jetzt stand unser Leben gegen das von Hadley, dem Mörder.
    Die Entscheidung, die Phil zu treffen hatte, war klar, aber hatte er uns gesehen? Hatte er alles vom Land aus beobachten können?
    Ich bemerkte, dass ein feiner Nebel aufzog, der übliche Frühnebel. Hatte Scar ihn in seine Pläne mit einbezogen?
    Aber Phil hatte uns gesehen.
    Ein starkes Motorboot startete, ein zweites. Sie schwärmten aus und kreisten uns ein. Auch der Motor von Sears Boot heulte auf und entfernte sich.
    Vom Land her brumniten zwei Hubschrauber tief über dem Wasser dahin. Ich hob einen Arm, als ich das erste Boot sichtete.
    Es drehte bei, und Phil beugte sich heraus. Er packte Nancy unter den Armen und zerrte sie hinein, dann half er mir. Ich ließ mich neben ihn in das Boot fallen und sagte: »Schnell an Land, das Mädchen hat ziemliche Verbrennungen, sie muss ins Krankenhaus!«
    »Was hat sie in dem Boot gemacht?«, fragte Phil, als das Boot drehte und zum Land zurückschoss.
    »Sie wollte vermutlich ihren Freund rächen. Sie hat Collin geliebt.«
    »Ja!« Sie war plötzlich aufgewacht, ihr Gesicht war sehr bleich, aber ihre Augen glühten tief schwarz.
    »Ich habe ihn geliebt, und dieser Hadley hat ihn ermordet! Er ist doch gar nicht entführt worden! Er hat sich das nur ausgedacht, ich werde ihn erwürgen!«
    »Er ist entführt worden, und mit dem Erwürgen müssen Sie noch etwas warten.«
    Ich wollte ihr nooh sagen, dass sie schuld war, dass die Gangster jetzt gewarnt und vielleicht sogar entwischt waren, aber sie war schon wieder bewusstlos.
    Ich drehte mich zu Phil, der mir ein Tuch gab und grinste: »Du bist heute anscheinend ein Reinlichkeitsfanatiker, immer diese Vollbäder!«
    Ich trocknete mich ab und überlegte: »Dieses verflixte Mädchen. Sie schlich immer hier herum, ich hätte daran denken müssen. Nachdem sie Collins Tod nicht verhindern konnte, wollte sie ihn rächen.«
    »Ja, sie war wohl das ,Tier’ in den Büschen«, meinte Phil.
    »Hat es an Land inzwischen etwas Neues gegeben?«, fragte ich.
    »Ja, die Kollegen haben deinen Jaguar gebracht. Der Plymouth stand auch noch da.«
    »Halt! Das ist doch nicht möglich! Sie haben ihren Wagen dort gelassen?«
    »Ja, sicher. Außerdem habe ich hier eine Liste aller größeren Schiffe, die außerhalb der Dreimeilenzone vor der Küste liegen.«
    Ich nahm den Papierstreifen in die Hand und beugte mich zu