0432 - Sein Todfeind war ein flottes Girl
daß ihm etwas zugestoßen sein könnte, quälte mich schon seit Tagen —«
»Glauben Sie, daß er ein Mann war, der Geheimnisse hatte?«
»Mr. Reading? Nein! Er war nicht sehr gesprächig, und wenn er redete, tat er das in einer ruhigen, überlegten, fast bedächtigen Art — aber Geheimnisse? Nein, die trug er wohl kaum mit sich herum! Wie kommen Sie darauf?«
»Es gibt einen Mann, der behauptet, ihn zum La-Guardia-Flugplatz gebracht zu haben«, sagte ich, fügte jedoch sofort einschränkend hinzu: »Es ist natürlich denkbar, daß es sich dabei um eine Verwechslung handelt und daß der Taxifahrer einen Mann befördert hat, der Mr. Reading zufällig sehr ähnlich sah.«
»Sie meinen, Mr. Reading sei weggeflogen — ohne 'Abschied, ohne ein Wort der Erklärung?« fragte Mr. Burrough verblüfft.
»So sieht es aus.«
»Das halte ich für ausgeschlossen.«
»Warum?«
»Es — es paßt nicht zu ihm!«
»Äußerte er manchmal Reisepläne? Reisewünsche? Träumte er von fremden Ländern und Städten?«
»Niemals — und er hatte einen ausgeprägten Horror vor dem Fliegen!« versicherte Mr. Burrough. »›Mich würden keine zehn Pferde in so einen Blechvogel bringen‹, pflegte er zu sagen, ›ich habe nämlich vor, in meinem Bett zu sterben‹. Das waren seine Worte!«
»Sprach er manchmal von seiner Tochter?« erkundigte ich mich.
Mr. Burrough starrte mich an. »Von seiner Tochter?« fragte er. »Aber Mr. Reading hat gar keine Tochter!«
***
Das warf mich fast um.
»Sie ist seit einem dreiviertel Jahr verheiratet«, sagte ich. »Sie wohnt nicht bei ihm.«
»Tatsächlich? Seltsam — er hat so oft von seinem Zuhause gesprochen, aber von Kindern war dabei niemals die Rede.«
Ich massierte mir das Kinn und dachte an das, was ich bei meinem Besuch in der Readingschen Wohnung bemerkt hatte — die Tatsache, daß das Mädchen den Eltern nicht ähnlich sah, und der Umstand, daß es Mrs. Reading verdächtig eilig hatte, mich loszuwerden.
Mir dämmerte, daß der Fall Reading nicht so einfach gelagert war, wie er sich bei einer ersten flüchtigen Betrachtung darstellte.
Ich dachte an das Blut, das aus dem Lincoln getropft war, und an den Mann, der versucht hatte, mich mit Hilfe des Wagens ins Jenseits zu befördern. Ich dachte an den Portier, der so ausweichende Antworten gegeben hatte, an die Pistole, die in Alice Mc-Growns Hand gewesen war. Ich versuchte alle diese Dinge mit Readings Verschwinden in Zusammenhang zu bringen, aber das gelang mir nicht.
Ich wollte Mr. Burrough zu seiner Frau, bringen, aber er wollte nichts davon wissen. Schließlich öffnete ich ihm den Wagenschlag. »Sie haben mir sehr geholfen«, sagte ich.
»Ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung!« meinte er und stieg aus. »Sie wissen, wie ich an Mr. Reading hänge.« Im nächsten Moment war er im Strom der Passanten verschwunden. Ich fuhr zurück nach Queens. Als ich das Haus Claredon Road 31 betrat, war der Portier nicht an der Glasbox.
Ich fuhr mit dem Lift nach oben, ins dritte Stockwerk. Ich klingelte an Mc-Growns Tür. Ein großer, dunkelhaariger Mann öffnete. Ich wußte sofort, daß es Charles McGrown war — er entsprach genau der Vorstellung, die ich von Leuten seiner Berufsgruppe hatte.
Er lächelte mir verbindlich in die Augen, aber das Lächeln beschränkte sich auf seine Lippen. Die Augen blieben kühl und wachsam.
»Bitte?« fragte er.
»Cotton, vom FBI«, sagte ich. »Darf ich Sie sprechen?«
»Kommen Sie nur herein!« meinte er in scheinbar guter Stimmung. »Es geht sicher um meinen hochverehrten Schwiegerpapa, was? Ein tolles Ding! Ich hätte dem Alten nie zugetraut, daß er mal den Mut findet, seiner Xanthippe Good-bye zu sagen.«
Ich trat über die Schwelle, und er schloß hinter mir die Tür. »Wenn er das mal getan hätte!« meinte ich.
McGrown lachte. Es war ein sehr herzhaftes Lachen, ohne falsche Untertöne. Aber er war genau der Mann, der so etwas auf Bestellung produzieren konnte. »Das Good-bye-Sagen, meinen Sie? Ich kann's dem Alten nicht verdenken, daß er darauf verzichtete.« Er lachte abermals. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ihn das in meiner Achtung erhöht! Nehmen Sie einen Drink, Mr. Cotton?«
Ich blickte mich im Wohnzimmer um. Die Einrichtung war gut und teuer, selbst der kleinste Gegenstand war auf Effekt und Wirkung berechnet. In einer Ecke befand sich die Hausbar. Ihre Bestände konnten mit dem Flaschenangebot der exklusivsten Spirituosenhandlung konkurrieren.
Es war kurz nach halb
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