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0437 - Schirmherr der Zeit

Titel: 0437 - Schirmherr der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Mund, wenn einem das Leben lieb war.
    Ich nahm das kleine Wesen mit nach Hause und pflegte es. Der Tierleib wuchs rasch heran, und ich sah, dass es ein Prachtexemplar werden würde. Der humanoide Oberkörper allerdings bestätigte das Urteil der Biologen. Er wuchs nur langsam und entwickelte sich zu einem schlauchähnlichen Gebilde mit winzigen Lungen, dünnen Ärmchen und hervorstehenden Rippen.
    Als ich eines Tages übermüdet, überreizt und noch dazu betrunken nach Hause gekommen war, hatte ich den Anblick dieses jämmerlichen Oberkörpers nicht länger ertragen können.
    Ich hatte den Zentauren zuerst beschimpft und dann nach der Peitsche gegriffen um ihn zu verprügeln. Aber es war mir nicht gelungen, den Zentauren ein einziges Mal zu treffen. Immer befand er sich schon an einer anderen Stelle, wenn ich zuschlug.
    Diese unheimliche Gewandtheit verblüffte und ernüchterte mich, und plötzlich stellte ich fest, dass nicht der Zentaur schneller als normal reagierte, sondern dass meine Bewegungen jedes Mal dann verlangsamt wurden, wenn ich ihn schlagen wollte.
    Ich kühlte meinen Kopf mit Eiswasser, dann befragte ich den Zentauren, der unsere Sprache inzwischen einigermaßen beherrschen sollte, wie ich meinte. Es stellte sich heraus, dass er die Sprache perfekt beherrschte und überhaupt ein hochintelligentes Lebewesen war. Allerdings ein Lebewesen mit ungeheuer starken Emotionen. Er verriet mir, dass er Kraft seines Willens die Bewegungsabläufe innerhalb der variablen Zeitebenen verlangsamen oder beschleunigen könne, konkret ausgedrückt, alle Umweltvorgänge um den Faktor fünfzig zeitlich verändern könne. Takvorlan war ein Movator.
    Danach fragte er mich höhnisch, ob ich ihn verraten wolle. In dem Falle würde er mich mit seinen harten Hufen zu Brei zertrampeln. Ich hatte mich vor dieser Drohung nicht gefürchtet, aber ich war zerknirscht gewesen, dass ich dieses Wesen hatte auspeitschen wollen. Mir war sofort klar geworden, dass der Zentaur ein positiver Mutant war - bis auf sein äußeres Aussehen.
    Ich hatte mich entschuldigt. Da hatte er mich ausgelacht und gestanden, er wäre niemals in der Lage gewesen, mir ein Leid zuzufügen, da er wüsste, dass er mir sein Leben zu verdanken habe.
    An diesem Tage hatte zwischen uns eine feste und unvergleichliche Freundschaft begonnen. Ich nannte den Zentauren Takvorlan, und sobald er erwachsen war, ließ ich für ihn eine biologisch lebende Maske herstellen, die den schmächtigen humanoiden Oberkörper verdeckte und die naturgetreue Nachbildung eines Pferdehalses und -kopfes war. Meine technischen Möglichkeiten als Chef der Golamo erlaubten es mir, die Konstrukteure der Pferdemaske anschließend von der Erinnerung an ihren Sonderauftrag zu „befreien". Niemand wusste, dass hinter Hals und Kopf des prächtigen Halbbluthengstes ein schmächtiger Körper und der Kopf eines humanoiden Wesens steckten, der sich kaum von einem Cappin-Schädel unterschied.
    Nur Takvorians Gesicht war kindlich geblieben.
    „Woran denkst du, Freund?" fragte Takvorian. Das 'Pferd' bewegte sogar die Lippen dabei, was an sich nicht nötig gewesen wäre. Ich seufzte.
    „Es ist unwichtig, Kleiner. Ich hoffe, du bist gut in Form. Die Jagdexpedition wird ziemlich anstrengend werden. Wird es dir auch nicht zuviel, mich ständig auf deinem Rücken zu tragen?"
    Takvorlan lachte nur."Ich spüre dich überhaupt nicht, Ovaron.
    Außerdem macht es mir Spaß, dich zu tragen. Du könntest mir als Gegenleistung aber wenigstens erlauben, hin und wieder einem deiner Artgenossen den Schädel mit meinen Hufen zu zerschmettern."
    Ich blickte ihn besorgt an."Keine Unbesonnenheiten, bitte! Wir sind keine Mörder. Vielleicht wird es eines Tages notwendig sein, einige meiner Artgenossen zu töten, dazu muss aber dann eine ethisch fundierte Notwendigkeit bestehen."
    „Von mir aus besteht sie", erwiderte Takvorian.
    „Das ist ein Irrtum. Jede ethisch fundierte Maßnahme muss auch sinnvoll sein und ein positives Ziel haben. Was du meinst, wäre bloß Rache für das, was man dir und anderen Lebewesen angetan hat, und sogar diese grauenhaften Experimente waren sinnvoll."
    Mit einem mal war mir alles zuviel. Ich schlug Takvorlan mit der flachen Hand gegen den Hals und verabschiedete mich wortkarg.
    Draußen lehnte ich mich gegen die Wand des Stallgebäudes.
    Meine beiden Bewusstseinsebenen entwickelten wieder einmal gegensätzliche Denkvorgänge. Die eine stellte fest, dass ich dafür verantwortlich sei, dass das

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