0439 - Das Folterbett
gefallen. Sein Kopf stand in einem unnatürlichen Winkel vom Hals ab.
Der Mann hatte sich das Genick gebrochen!
Das wusste Ute nicht. Sie ahnte nur, dass er nicht mehr lebte, und sie bückte sich, um den Toten zu untersuchen. Dabei hätte sie nicht sagen können, ob sie dies bewusst tat, sie wollte etwas Bestimmtes holen, das sie beim Kampf der beiden Männer kurz hatte Aufblinken sehen.
Jetzt war es fast aus der Tasche gerutscht.
Ein Silberkreuz!
Ute umschloss es mit ihrer rechten Hand. Sie wartete keine Sekunde mehr, drehte sich wieder um und lief die Treppe hoch. Das Kreuz hielt sie dabei in der Hand.
Nach einigen Stufen kam ihr Will Mallmann entgegen. Er wollte nach seinem Gegner schauen, sah jetzt den Schatten des Mädchens und hielt es auf.
»Wo willst du hin?«
»Ich muss zu ihm.«
»Und Karl Richter?«
»Er bewegt sich nicht mehr!«
Ute Bender drückte sich unter Wills ausgestrecktem Arm hinweg.
Die Wolke hatte sie gerufen, das spürte sie genau. Sie lauerte, und ein Mann befand sich in einer schrecklichen Gefahr.
Je höher das Mädchen kam, um so schneller lief es. Dennoch wurde die Flamme der Hoffnung immer kleiner…
***
Ich erlebte furchtbare Augenblicke!
Wie oft hatte ich mich in höchster Lebensgefahr befunden? Ich dachte daran, einmal lebendig begraben gewesen zu sein, dachte an meine Henkersmahlzeit, die mir damals von Akim Samaran zubereitet worden war, ich erinnerte mich auch daran, dass ich schon auf dem Hauklotz eines Henkers gelegen hatte, aber das war alles anders gewesen. Da hatte ich wenigstens noch einige meiner Waffen besessen.
Hier war ich wehrlos - und dem Tod geweiht…
Der Nachtmahr drückte mit einer verheerenden Kraft gegen meinen Hals. Ich hörte auch dieses leise Wimmern oder Singen, und es schnitt wie das Geräusch einer Kreissäge in mein Gehirn.
Luft bekam ich nicht mehr.
Mich hatten auch die verdammten Spitzen erwischt, doch die Wunden waren noch nicht so tief, als dass man sie hätte als lebensgefährlich umschreiben können.
Der Nachtmahr hockte wie ein Fels auf meinem Hals. Er war grausam, er wollte töten, und meine Seele sollte sich mit denen der Verstorbenen vereinigen.
Die Sekunden verrannen…
Wie lange konnte ich es noch aushalten? Vielleicht zehn Sekunden oder fünfzehn?
Sich in den Fesseln aufbäumen zu wollen, hatte keinen Sinn. Sie hielten immer.
In meinen Ohren rauschte es. Ich hörte das Herz überlaut schlagen. Es pumpte mit einer verzweifelten Kraft, aber es würde mein Leben nicht mehr verlängern.
Etwas Kaltes traf mein Gesicht.
Schon der Hauch des Todes oder der erste Gruß aus dem Jenseits?
Gehörte die Stimme, die ich vernahm, einem Geist?
»Hinweg, Dämon, hinweg!«
Ute Bender stand an der Tür, hatte den Arm ausgestreckt, hielt das Kreuz fest und sprach die beschwörenden Worte, wobei sie auf die Kraft meines geweihten Talismans vertraute. Sie hatte instinktiv erkannt, welch eine Macht von diesem Kreuz ausging, denn sie selbst spürte die Kraft, die ihr gegeben wurde.
So betrat sie auch den Raum.
Sie sah mich liegen, kam noch näher und presste das Kreuz gegen die schwarze Wolke.
Der Gesang steigerte sich zu einem Heulen. Die Wolke, dieser Nachtmahr explodierte plötzlich von innen heraus, und die Fetzen aus Schatten jagten lautlos durch den Raum.
Es war ein Bild des Schreckens. Zwei Magien trafen aufeinander. Beide kämpften um Sein oder Nichtsein.
Eine nur konnte gewinnen.
Es war die weißmagische Magie des Kreuzes, die diesen schaurigen Höllenboten vertrieben.
Über die Innenwände tanzten die einzelnen Schattenstücke, als wollten sie sich mit dem Mauerwerk vereinen.
Mitten im Turmzimmer stand Ute Bender. Das Kreuz strahlte ab und legte die Aura auch über ihr Gesicht. Sie drehte sich langsam, die weißmagische Energie Rollte überall hinfließen, und sie hörte auch das schreckliche Heulen.
Nicht die Schatten, die längst vergangen waren, produzierten es. Das Geräusch drang aus den Wänden, in denen der Geist des ersten Gefangenen gehaust hatte.
Jetzt wurde er vernichtet!
Noch einmal schrie er sirenenartig auf, aber das Heulen wurde sehr schnell leiser und wimmernder, bevor es schließlich verklang, so dass der Fluch des Turms und auch der des Betts gebrochen war.
Ute aber blieb stehen.
So fand sie Will Mallmann…
***
Ich konnte mich nur wundern, dass ich noch lebte. Der Kommissar hatte auch den Mechanismus entdeckt und die verdammten Sensen wieder zurückfahren lassen. Sie waren jetzt im Mauerwerk
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