0453 - Im Bann des Pegasus
angebrachte Stahlverstärkung. Jedes Kloster besitzt eine Pforte neben dem normalen Eingang. Hier war es nicht anders. Sie lag in einer Nische versteckt, deren Dunkelheit auch mich schützte, als ich in sie eintauchte, mein Besteck hervorholte und mir das einfache Schloss zunächst einmal anschaute.
Es war leicht zu knacken. Nach einer knappen Minute Dauer hatte ich es geschafft.
Leider quietschte die Pforte in den Angeln, als ich sie nach innen drückte. Zudem schrammte die Tür mit ihrer Unterseite über den Boden und sperrte sich manchmal gegen den Druck.
Ich schob mich in den düsteren Innenhof.
Wer mich jetzt sehen wollte, musste schon verdammt gute Augen oder ein modernes Nachtglas mit Restlicht-Verstärker besitzen.
Das holprige Pflaster war zwar nicht ideal, weil es Stolperfallen bildete, aber ich machte hohe Schritte und kam gut voran.
Der Rundbogendurchgang war ebenfalls verlassen. Tagsüber saß hier ein Mönch und kassierte Eintrittsgelder. Durch den Bogen schob ich mich und gelangte abermals in einen kleinen Hof, den ich ebenfalls schon kannte.
Von hier aus gelangte man in das Innere des Klosters. Mein Blick fiel auch auf die Wehrgänge, die die obere Kante der Mauer bildeten und nur schwach zu erkennen waren.
Auf einem dieser Wehrgänge hatte ich gegen den Mönch gekämpft. Bei der ersten Besichtigung hatte man uns auch die Zellen der Mönche gezeigt. Sie lagen nebeneinander in einem langen Gang.
Die Tür dazu war nicht verschlossen.
Behutsam drückte ich sie auf und riskierte es zum erstenmal, die Lampe einzuschalten. Der helle Lichtfinger glitt über den blanken Steinboden, der in einem dunklen Rot schimmerte. Die Farbe hatte schon einen Stich ins Violette bekommen.
An der rechten Seite lagen die schmucklosen Zellen. Als Türen dienten zusammengenagelte Holzbretter.
Schlösser gab es nicht.
In jede Zelle schaute und leuchtete ich hinein, und keine von ihnen war belegt.
Das wunderte mich. Hatten die Mönche das Kloster so mir nichts dir nichts verlassen? Wenn ja, aus welchem Grund hatten sie es getan? Bisher hatte ich zwar keine Furcht verspürt, ein gewisses Unwohlsein war dennoch vorhanden gewesen. Und das verstärkte sich, als ich den Gang bis zu seinem Ende durchschritt.
Dort führte eine Wendeltreppe aus ebenfalls rotem Stein in die Höhe bis zu den Wehrgängen.
Sie waren ebenfalls leer. Ich sah auch keine Fußspuren. Überhaupt herrschte im gesamten Kloster eine drückende Stille, die mir überhaupt nicht gefiel.
War es die Stille des Todes, die endgültige? Ich ging bis zu den Wehrgängen hoch, wo ich zwar über das Meer und in den Himmel schauen konnte, ansonsten aber nichts sah. Deshalb lief ich den Weg wieder zurück.
Bei unserer Besichtigung hatte sich jemand nach den Kellerräumen erkundigt.
Die aber waren nicht zur Besichtigung freigegeben worden. Ich erinnerte mich leider erst jetzt daran und musste den Weg wieder zurückgehen.
Nach einigen Minuten der Suche entdeckte ich eine Treppe, die in die Tiefe führte und vor einem Gitter endete.
Das Gitter nahm die gesamte Breite des Ganges ein. Dahinter ballte sich die Dunkelheit. Ich umfasste die kalten Eisenstäbe, zerrte an ihnen und wollte auch rütteln, aber sie bewegten sich um keinen Millimeter.
Zwischen den Stäben hätten sich Kinder hindurchzwängen können. Ich war zu dick.
Was lag hinter dem Gitter? Ich leuchtete nach – und mein Herz übersprang einen Schlag.
Wie schon auf dem Felsen der Erleuchtung sah ich das Allsehende Auge als großes, geheimnisvolles Zeichen auf den Boden gemalt.
Umrahmt wurde es von einem Dreieck, und jenseits des Zeichens stand wie ein gewaltiger Koloss das geflügelte Pferd mit seinem Reiter Dochonios.
Gabriela hielt er nicht mehr in seinen Armen. Sie lag in der Mitte des Auges auf dem Boden, war bewusstlos und rührte sich nicht mehr. Ohne dass ich es eigentlich wollte, zuckte meine Hand hoch und traf den Krieger mitten ins Gesicht.
Unwillig schüttelte er den Kopf, tat aber nichts. Das übernahmen andere.
Plötzlich hörte ich aus dem Dunkel der Halle die Schritte mehrerer Personen.
Dann erschienen drei Mönche. Sie trugen ihre roten Kutten, kümmerten sich nicht um das Licht meiner Lampe, sondern blieben jeweils an den Ecken des Dreiecks stehen. Was hatten sie vor? Ihre Blicke pendelten zwischen Pegasus und dem Allsehenden Auge hin und her.
Die Gesichter begannen zu erstarren. Eine überaus starke Konzentration hielt sie umfangen.
Die gesamte Szene kam mir unheimlich vor,
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