0454 - Tal der Skelette
damit eine tödliche Bedrohung von sich abgewendet. Stygia hatte ihm mit dem Hinweis, falls er sich von ihr getäuscht fühle, könne er sie damit wie mit einer Art Voodoo-Zauber kontrollieren und bestrafen, einen ihrer Fingernägel gegeben. In Wirklichkeit war es ganz anders - Stygia konnte Ted über diesen Fingernagel beeinflussen, ohne daß er es merkte, selbst durch die Abschirmung um Teds Villa oder durch die Schutzglocke über Zamorras Château Montagne hindurch, wenngleich die Beeinflussung dann wesentlich schwächer wirksam werden konnte.
Ohne daß er es gemerkt hatte, hatte sie ihn auch beeinflußt, als er mit Zamorra die Hölle aufsuchte, um mit Julian zu reden.
Unter Stygias Einfluß hatte er Sara Moons Machtkristall, den er in Gewahrsam genommen hatte, mit in die Hölle genommen und dort auf Julian geschleudert. Es war ihm um so leichter gefallen, als er seit der ersten Begegnung eine instinktive Abneigung gegen das Telepathenkind hegte. Er konnte nicht logisch und objektiv begründen, weshalb das so war; er mochte Julian einfach nicht.
Hinzu kam, daß ihm durchaus bewußt war, wie gut Julian über die Geheimnisse der Zamorra-Crew informiert war. Damit war er als Fürst der Finsternis zu einer ungeheuren Gefahr für die kleine Gemeinschaft der Dämonenjäger geworden. Er wußte über alles Bescheid; über ihre Stärken und Schwächen und über ihre Sicherheitsvorkehrungen. Deshalb war Ted ebenso wie der Silbermond-Druide Gryf der Ansicht, daß Julian so schnell wie möglich ausgeschaltet werden mußte.
Seine Überzeugung und die Beeinflussung durch Stygia hatten sich ergänzt - und Ted Ewigk hatte gehandelt. Daß er dabei auch Sara Moons Untergang mit in Kauf nahm, war eine andere Sache, aber an sie hatte er kaum einen Gedanken verschwendet. Zum einen war er ziemlich sicher, daß sie in ihrem Gefängnis in Merlins Burg auch vor den Auswirkungen eines Dhyarra-Schocks geschützt war, und zum anderen - wäre damit ein weiteres Problem gelöst worden, nämlich das, Merlins entartete Tochter zur Weißen Magie zurückzuholen. Ganz abgesehen davon, daß sie lange Zeit mit allen ihr zu Verfügung stehenden Mitteln versucht hatte, ihn zu töten…
Ted hatte also Sara Moons Machtkristall auf Julian geschleudert. Und der hatte ihn aufgefangen, und seine Worte klangen Ted immer noch im Ohr: So nicht, mein Feind!
Gelacht hatte er dabei!
Triumphierend gelacht! Es war nicht das Lachen des Wahnsinns, der ihn hätte packen müssen, ehe der Dhyarra-Tod ihn ereilte. Er hatte den Kristall berühren können, er hatte überlebt!
Aber es hatte eine Schockwelle gegeben, einen Energieschlag, und eine unbegreifliche Kraft hatte Ted gepackt und aus der Hölle hinausgeschleudert. Er fand sich in seinem Haus wieder, in seiner Villa am nördlichen, bewaldeten Stadtrand von Rom.
Da saß er nun.
Von Zamorra keine Spur.
Auch nicht von diesem Neger, auf den sie getroffen waren und den Zamorra anscheinend sehr gut kannte. L'ombre, der Schatten! Ted erinnerte sich, daß Zamorra einmal von diesem Mann erzählt hatte. Ein kleiner Gelegenheitsgauner, der über eines der sieben Amulette verfügte und allein dadurch zum Mittelpunkt des Interesses geworden war.
Etwas hatte zumindest Ted hinaus katapultiert, und mit ihm wohl die anderen.
Ted schüttelte sich, als könne er alles Chaos damit von sich abschütteln. Er griff in seine Tasche; sein eigener Machtkristall befand sich noch darin. Seine Armwunde, von Zamorra notdürftig verbunden, blutete nicht mehr, machte sich aber bei seinen Bewegungen schmerzhaft bemerkbar.
Ted suchte das Bad auf, löste den Notverband, desinfizierte die Wunde sorgfältig, die die Folge eines Schnabelhiebes von einem schwarzen, mörderischen Riesenvogel war, und legte einen besseren neuen Verband an. Er hoffte, daß kein schwarzmagischer Virus in seinem Blut geblieben war, der ihn über kurz oder lang verseuchen und zu einem Sklaven der dunklen Mächte machen würde. Dergleichen sollte schon vorgekommen sein. Für diesen Fall hoffte er, daß er es selbst rechtzeitig bemerkte und daß er sich dann Zamorras oder Gryfs Hilfe anvertrauen konnte, um diesen magischen Keim zu stoppen.
Sein Haus war leer.
Carlotta, seine Freundin, die eigentlich versprochen hatte, in der Villa auf Teds Rückkehr zu warten, war nicht mehr da. Ted suchte sein Arbeitszimmer auf und griff zum Telefon. Er wählte Carlottas Nummer.
Fast augenblicklich wurde abgehoben.
»Ted, du?« stieß Carlotta am anderen Ende der Leitung hervor.
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