0455 - Der Lord und die Geister-Lady
und zog die wiedererweckte Tote hoch, bis sie im Sarg stand.
»Ich danke dir. Jetzt noch den Rest. Ich möchte auch das Grab verlassen. Hilfst du mir, Peter?«
»Aber gern.« Lord Danford hakte seine Frau unter, als sie ein Bein anwinkelte, um das feuchte Grab endgültig verlassen zu können.
Als sie an seinem Rand stand, warf sie noch einen Blick zurück und schüttelte sich. »So kostbar und teuer der Sarg auch gewesen sein mag, mein lieber Peter, ich bin froh, daß ich ihn verlassen konnte.«
»Ich hatte es dir versprochen.«
»Das vergaß ich nicht.« Sie drängte sich an ihn und drückte ihre kalten Lippen auf seinen Mund.
Der Butler bekam fast etwas über sich, als er das sah. So etwas konnte doch nicht wahr sein. Kein normaler Mensch küßt jemand, der fünf Tage unter der Erde gelegen hat.
Aber was war bei den Danfords schon normal?
Die beiden wirkten wie ein altes Ehepaar, das ihre Liebe nach Jahren neu entdeckt hatte. Der Butler kam sich ziemlich überflüssig vor, aber er mußte bleiben, zudem wurde er gebraucht.
Es war der Lord, der sich von seiner Gemahlin löste und seinem Diener zunickte. »Bitte, Gilbert, Sie werden uns den Gefallen erweisen und uns zum Haus zurückbegleiten.«
»Selbstverständlich, Sir.«
»Haken Sie meine Frau bitte an der linken Seite unter. Sie fühlt sich noch ein wenig schwach.«
Gilbert schloß für einen Moment die Augen. Er war einfach fassungslos. Dieser Mann sprach, als wäre seine Frau nie gestorben. Sie wurde von ihm völlig normal behandelt.
Der blanke Irrsinn.
Erst aus dem Grab, jetzt ins Haus.
»Trauen Sie sich nicht, Gilbert?«
»Doch, Lady Mary, doch. Es ist nur…« Der Butler hob die Schultern und schüttelte den Kopf. Er wollte einfach nicht mehr weitersprechen …
***
Der Beamte am Empfang schaute hoch, als er an diesem frühen Abend den Mann sah, der das Yard Building betrat und für einen Moment in der Halle stehenblieb, als wäre er irritiert. Der Mann trug eine braune Lederjacke, darunter ein Wollhemd und auch Jeans. Seine Füße steckten in schon graugewordenen Turnschuhen.
Außerdem war er Chinese.
»Sie, Inspektor?«
Suko drehte sich um. Er blinzelte für einen Moment und schien seine Gedanken erst ordnen zu müssen. »Ja«, sagte er dann, während er näher an die Glasloge herantrat. »Wer sonst?«
»Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Inspektor, beileibe nicht. Aber man hat Sie gesucht.«
»Wieso?«
Der Beamte beugte sich vor. »Ich hab’ auch keine Ahnung, aber Sie wissen ja selbst, wie das ist. Da kommen plötzlich Gerüchte auf, jeder will etwas wissen, dann…«
»Ich kann es mir denken.«
»Darf ich Ihnen mein Beileid aussprechen, Sir?«
Sukos Gesichtszüge verhärteten sich. »Wozu?«
»Zum Tod Ihrer Frau oder…«
»Das dürfen Sie nicht«, erklärte der Inspektor kalt. »Kein Beileid, verstanden.«
»Entschuldigen Sie, Sir, es wird nicht wieder vorkommen.«
»Gut. Ich habe eine andere Frage. Befindet sich Sir James Powell noch in seinem Büro?«
Der Kollege wollte wohl einiges wieder gutmachen, denn er nickte heftig und fast schon übereifrig. »Ja, soviel ich weiß, hat Sir James das Gebäude noch nicht verlassen.«
»Ich danke Ihnen.«
»Soll ich Sie anmelden, Sir?«
Suko hatte sich schon abgedreht und schüttelte jetzt den Kopf.
»Nein, das ist nicht nötig.« Mit zielsicheren Schritten ging er zum Lift, begleitet von den Blicken des Portiers, der sich seine Gedanken über die Person des Inspektors machte.
Suko fuhr den Weg, den er früher genommen hatte. Früher, dachte er.
Meine Güte, wie lange liegt das alles zurück? Tage, Wochen, Jahre oder Jahrzehnte?
Es kam ihm so vor. Dabei waren erst einige Wochen vergangen seit diesem fürchterlichen Tag, als er seine tote Partnerin in den Armen gehalten hatte. [1]
Er hatte sich beherrscht. Tage später noch war er seiner Arbeit nachgegangen, doch irgendwann konnte er sich nicht mehr beherrschen. Er war nicht an seine Arbeitsstelle zurückgekehrt, hatte sich im Untergrund gehalten und nachgeforscht, denn er wollte es einfach nicht wahrhaben, daß Shao nicht mehr lebte. Und er wollte diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die ihm dies angetan hatten. Zwar war der Fall der Dämonentrommler gelöst, aber Shao war eine besondere Person gewesen. Der letzte Abkömmling in der langen Ahnenreihe der Sonnengöttin Amaterasu. Wenn Shao tot war, hatte Susanoo, Amaterasus dämonischer Bruder, freie Bahn, um einen gewissen Teil der Menschheit zu unterjochen.
Das war noch
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