0456 - Shao - Phantom aus dem Jenseits
sollen?«
»Ja.«
»Ich sehe ihn nicht.«
»Stimmt, aber im Wagen brennt Licht.« Durch ein Fenster sickerte ein fahler Schein.
»Vielleicht ist er hineingegangen«, vermutete Suko.
»Was hätte er für einen Grund haben sollen?«
»Sehen wir nach.«
Das Verschwinden des Polizisten bereitete uns einige Sorgen. Deshalb änderten wir unseren Plan und klopften nicht an die Tür. Zuvor wollten wir den Wohnwagen einmal umrunden.
Suko war vorgegangen - und blieb plötzlich stehen, denn direkt unter dem Fenster lag ein dunkler, zusammengekrümmter Körper auf dem Boden und rührte sich nicht.
Ich bückte mich schneller als Suko, streckte meine Hand aus und fühlte an den Fingern eine klebrige Nässe, als ich über die Kleidung des Mannes strich.
Licht brauchte ich nicht, um zu wissen, was meine Finger so befeuchtet hatte. Es war Blut!
***
Suko stand noch neben mir. Ich hörte ihn atmen. Langsam drückte ich mich hoch und drehte meine Hand so, dass er die benetzte Fläche sehen konnte.
»Blut, John?«
»Ja.«
»Dann ist er tot?«
»Ich weiß es nicht genau, aber ich schaue nach.«
»Okay, ich passe auf.«
Wir hatten beide ein ungutes Gefühl. Es war doch besser, wenn Suko achtgab und mir den Rücken freihielt. Aus der Tasche holte ich die kleine Lampe und leuchtete die Gestalt ab.
Der Polizist war tot. Das erkannte ich, als der bleiche Lichtfinger in sein starres Gesicht mit den weit geöffneten Augen fiel. Der Mund war verzerrt und zeigte einen letzten Schmerz, den er gespürt haben musste.
Dieser Mann war nicht durch einen Pfeil getötet worden. Die Wunde in seiner Brust war wesentlich größer. Ein langer und auch breiter Gegenstand musste sie hinterlassen haben.
Ich tippte dabei auf ein Messer, stemmte mich wieder hoch und sah meinen Freund an.
»Nichts mehr zu machen«, flüsterte ich.
Suko ballte die Hände. »Wer?« fragte er.
»Der Killer mit den Pfeilen?«
Mein Freund schüttelte den Kopf. »Das will ich nicht glauben.« Er hob seinen Arm, spreizte den Daumen ab und deutete auf den Wohnwagen.
»Vielleicht sollten wir uns um ihn kümmern.«
»Welches Motiv sollte er gehabt haben, die Person umzubringen, die ihn bewachte?«
Suko hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, aber ich traue niemandem mehr in diesem verdammten Spiel. Hier läuft etwas, gegen das wir uns nicht wehren können.« Er ballte die rechte Hand. »Ich sehe alles in einem Zusammenhang mit Shaos Verschwinden.«
Suko hatte nicht von ihrem Tod gesprochen, nur Verschwinden gesagt.
»Gut, sehen wir uns den Knaben einmal an.«
Suko drehte sich um. Er ging schneller als ich, trotzdem war von seinen Schritten nichts zu hören. Mein Freund konnte sich anschleichen wie ein Indianer.
Vor der Eingangstür blieben wir stehen. Auch sie machte einen völlig normalen Eindruck, war verschlossen, und nichts wies darauf hin, dass hinter der Tür ein Killer lauerte.
Ich nickte Suko zu, weil ich ihm den Vortritt überlassen wollte. Mein Partner verstand, setzte sich schon in Bewegung und blieb nach einem Schritt abrupt stehen.
Etwas Schreckliches geschah und kam über uns wie ein grauenhafter Wirbelsturm…
***
Er hatte seine Brüder fallen und sterben sehen. Er selbst war den Killerpfeilen entkommen und hatte den Trubel und das Chaos ausgenutzt, um zu verschwinden.
Er wusste nicht, wer ihn gefunden hatte, aber ihm war klargeworden, dass die Tarnung nichts mehr nutzte.
Man hatte sie entdeckt!
Und man killte gnadenlos. Zwei waren gestorben, er hatte entwischen können, und er wusste, was er zu tun hatte. Am liebsten wäre er direkt nach dem Mordanschlag verschwunden und hätte Gegenmaßnahmen ergriffen, aber das wäre zu auffällig gewesen. So ging er dorthin, wo sein Cape lag, das er überstreifte und sich dann in eine Lücke duckte, von wo aus er in die Manege blicken konnte und auch die Zuschauer sah, die sich aus dem Staub machten.
Der Artist kannte die Spielregeln. Die Polizei würde erscheinen und nach ihm suchen.
Er würde sich freiwillig stellen, aber nicht die Wahrheit sagen, das stand fest. Und so wartete er.
Als sich das Zelt geleert hatte und nur noch die entsetzten Angestellten des Unternehmens zurückgeblieben waren, verließ der dritte der Yagani-Brüdern seine Deckung und betrat die Manege. Mr. Gardener, der Direktor, entdeckte ihn sofort.
»Sie leben!« schrie er und rannte auf ihn zu.
Was danach geschah, kam ihm vor wie ein Traum. Er hatte sich auf eine Kiste gehockt, war von Gardener bemuttert worden und hatte
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