0456 - Shao - Phantom aus dem Jenseits
sich nicht bestätigt.«
»Zu spät«, sagte Suko hart und deutete schräg nach vorn, wo wir einen alten Baum innerhalb der Dunstsuppe nur ahnen konnten. Dort war das Licht besonders intensiv, und es befand sich nicht nur dicht über dem Boden, es drehte sich sogar spiralenartig daraus hervor, wirbelte um die eigene Achse und nahm Gestalt an.
Suko war so überrascht, dass er zurücksprang, aber nicht vergaß, den Namen der Person zu erwähnen, die sich aus der Friedhofserde kommend vor uns materialisiert hatte.
»Shimada!«
***
Bei Gott, er war es!
Es war tatsächlich die lebende Legende, dieser gnadenlose mächtige Dämon, der in einer Festung oder einem Schloss lebte, das durch die Zeit wandern konnte.
Jetzt hatte er das Schloss verlassen, war auf den Friedhof gekommen, um sich uns zu stellen.
Er sah aus wie immer. In blaue Tücher gehüllt, die auch seinen Kopf umgaben und vom Gesicht nur einen Teil der Stirn und die gnadenlosen, kalten, stahlblauen Augen freiließen, die uns so vernichtend anstarrten.
Von Shimada war bisher nur gesprochen worden. Ich hatte ihn zudem weit weg vermutet, doch Shaos Erscheinen oder Erstarken musste ihn gereizt haben.
Anscheinend hatte sie recht behalten. Da war ihre Macht größer, als wir glauben wollten.
Wehret den Anfängen, heißt ein Sprichwort. Möglicherweise hatte Shimada auch so gedacht. Er zog seine Waffe.
Vor diesem Schwert hatte ich Angst. Es war eine alte Samurai-Klinge, die nicht nur einen Menschen mit einem Schlag töten konnte, nein, diese Waffe schaffte es auch, durch Häuser, Steine und Erde zu dringen. Sie besaß mörderische Kräfte.
Shimada hielt den Griff mit beiden Händen. Er stand breitbeinig da, den Oberkörper etwas gebeugt, und die Spitze der Klinge zielte auf uns. Wir ließen uns von dieser etwas hölzern wirkenden Haltung auf keinen Fall irritieren, denn wir wussten sehr gut, dass Shimada innerhalb weniger Sekunden zu einer rasenden Kampf- und Mordmaschine werden konnte.
Das schwächste Glied in unserer Kette war Sheila. Deshalb schob ich sie auch zurück. »Versteck dich!« rief ich ihr dabei zu und wartete nicht ab, ob sie es auch tatsächlich tat.
Shimada aber griff an.
Er zeigte uns, wie man sich als Kämpfer bewegen musste. Es war kaum zu verfolgen, wie er es schaffte, sein Schwert so schnell über dem Kopf zu drehen. Es sah so aus, als wollte er durch die Schläge die dünnen Nebeltücher zerteilen.
Eingehüllt in blaues Licht, sprang er schlagend und mit großen Sätzen auf uns zu. Über zwei Grabsteine jagte er hinweg und holte noch im Sprung und als gestreckte Gestalt zu einem mörderischen Hieb aus, der mich von den Beinen gesichelt hätte.
Ich lag schon in der Luft.
Aus dem Stand einen Salto rückwärts zu schlagen, ist nicht so einfach.
In diesem Augenblick war mir nichts anderes übriggeblieben. Die Angst hatte mir diese gewaltigen Kräfte verliehen.
Trotzdem landete ich nicht wunschgemäß. Ich krachte irgendwo in ein Gebüsch, vernahm das Knacken und Brechen der Zweige, aber die Klinge hatte mich nicht erwischt.
Sie hatte stattdessen die obere Kante eines Grabsteins abgeschlagen und war in den Strauch gefahren, der im Nu von einem bläulichen Feuer eingehüllt wurde und bis auf die Wurzeln verbrannte.
Das Licht leuchtete auch Suko an, der Shimada mit dem Mute der Verzweiflung von der Seite her angreifen wollte, aber dazu nicht mehr kam, denn eine helle Stimme meldete sich. »Lass es!«
Ich hatte mich aufgerappelt und blickte nach vorn.
Da stand unser Schutzengel, unser Phantom - Shao!
***
Die Armbrust hielt sie in Anschlag. In der Bolzenrinne lag bereits der erste Pfeil.
Shimada hatte Shao zwar nicht gesehen, sie aber mit dem sicheren Instinkt eines Dämons gespürt und auch gewust, welch eine Gefahr von ihr ausging.
Er drehte sich. Wir waren für ihn zweitrangig geworden. Sein Schwert drehte sich mit. Ich hatte den Eindruck, als würde die Klinge noch in der Luft nachglühen.
Shao hatte sich einen außergewöhnlichen Platz ausgesucht. Sie stand auf der Kante eines breiten Grabsteins und schoss.
Wir hörten das Geräusch nicht, mit dem sie den Pfeil auf die Reise schickte. Er konnte Shimada nicht verfehlen. Seine Diener hatte er vernichtet, der Dämon selbst wurde nicht getroffen, weil er wieder einmal bewies, wie clever er war.
Er schlug sein Schwert so schnell nach links, dass Klinge und Pfeil zusammenprallten. Wir hörten noch das Geräusch, aber Shao hatte bereits den zweiten auf die Reise geschickt und
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