0464 - Gemälde des Grauens
in diesen Augenblicken keine Hilfe. Sarah Goldwyn beschloß, sie allein zu lassen. Durch die Gestalt der alten Dame schien ein Stromstoß zu rasen, als sie sich reckte und ebenfalls das verwüstete Zimmer betrat.
»Bleib da!« warnte Jane Collins, die sich bereits nach einer Waffe umsah.
Auch Sarah merkte etwas von dieser Suche, und sie sagte plötzlich: »Nimm den Teppich!«
Sie und Jane hatten den Vampir von seiner eigentlichen Aufgabe ablenken können. Er fühlte sich durch den Dialog gestört. Godfrey Lester aber stand vor ihm wie ein Delinquent. Mit hängenden Schultern, den Kopf leicht vorgebeugt.
Der Blutsauger verzog sein starres Gesicht. Er mochte es nicht, daß ihm etwas in die Quere gekommen war und ihn abgelenkt hatte. So bekamen die beiden Frauen etwas Zeit.
Lady Sarah sprach ihn direkt an. »Du wirst ihn nicht töten, Bestie! Nein, du nicht!«
Der Vampir duckte sich zusammen. Es sah so aus, als wollte er Sarah Goldwyn angreifen, da hatte Jane bereits auf den Rat ihrer älteren Freundin gehört und einen Teppich aufgehoben.
Es war ein bunter Berber, nicht sehr groß, dennoch hatte er sein Gewicht, und Jane Collins mußte sich anstrengen, wenn sie ihn schleudern wollte. Sie hob beide Arme über den Kopf. Der Teppich mußte quer durch den großen Raum geworfen werden.
Das tat sie.
Jane hatte ihn eingerollt. Jetzt, wo er sich auf dem Weg befand, rollte er sich wieder auf und kam wie ein flatterndes Dach auf den Blutsauger zu.
Der reagierte zu spät. Plötzlich hüllte ihn der Teppich ein, legte sich vorhangartig über Kopf und Gesicht und brachte ihn völlig aus dem Konzept.
»Harriet, holen Sie Ihren Mann!« befahl Lady Sarah mit lauter Stimme. Sie selbst schnappte sich eine Waffe. Es war eine Eisenschale, mit der sie auf den Blutsauger zurannte und sie schleuderte, als sie dicht vor ihm stand.
Die Horror-Oma konnte gar nicht vorbeiwerfen. Der Blutsauger bekam die Schale voll mit. Sie erwischte ihn unter dem Hals.
Die Wucht des Treffers trieb ihn zurück. Zwar riß er seinen rechten Arm hoch, aber die Klinge traf nicht.
Jane hetzte quer durch den Raum. Am Kamin hatte sie einen Schürhaken gefunden, hielt ihn beidhändig und setzte zu einem fürchterlichen Hieb an, der den Vampir auch erwischt hätte, wenn es ihm nicht zufällig gelungen wäre, seine Richtaxt hochzureißen, so daß der Schürhaken und die Axt zusammenprallten. Ein Mensch hätte die Axt verloren. Nicht der Vampir. Seine Kräfte waren ganz andere.
Leider war Jane in diesem Moment ein Mensch. Sie konnte den Schürhaken nicht mehr halten, der ihr regelrecht aus den Händen katapultiert wurde und irgendwo im Hintergrund des Zimmers landete.
Gleichzeitig fiel sie, durch den eigenen Schwung getrieben, zu Boden, sie stolperte auch noch über einen herumliegenden Gegenstand, und auch der Teppich rutschte jetzt vom Kopf des Vampirs wieder nach unten. Wütend trat er ihn noch zur Seite.
Da ging Godfrey Lester einen Schritt vor, hob das Gesicht dem Blutsauger entgegen und sagte mit lauter Stimme: »Töte mich!«
»Neiiiennnn!«
Auch Harriets irrer Schrei konnte dem schlimmen Schicksal keinen anderen Lauf geben.
Die Richtaxt raste nach unten!
Der Maler war nicht zu verfehlen.
Blutüberströmt brach er vor den entsetzten Augen der drei Frauen zusammen…
***
Auf einmal wurde es still!
Selbst Harriet wagte nichts mehr zu sagen. Der Schock saß einfach zu tief. Sie wollte auch nicht auf ihren Mann schauen, aber aus ihrem Gesicht wich alles Blut. Der Kreislauf geriet zu einem wahren Inferno, daß Harriet nicht mehr stoppen konnte.
Sie brach dort, wo sie stand, ohnmächtig zusammen.
Auch Jane und Sarah waren nicht in der Lage, zu reden. Sie hatten alles versucht – und verloren…
Sehr langsam ließ der Vampir seine Waffe sinken. Von der Klinge tropfte es rot. Die Spur blieb auf dem Boden und den zerstörten Möbelstücken zurück. Aus dem Maul des Blutsaugers drangen ächzende Geräusche. Er schüttelte den Kopf, als wäre ihm ein unangenehmer Gedanke gekommen, dann richtete er seinen Blick auf Lady Sarah.
Es war ein starrer Killerblick, und die Horror-Oma wußte, daß sich der Blutsauger sie als nächste ausgesucht hatte.
Sie ging zurück.
Der Vampir folgte ihr.
Jane hockte schräg hinter ihm. »Verdammt, – ich kann dir nicht helfen!« keuchte sie. »Mein Arm ist nicht okay. Ich habe ihn mir bei dem Sturz verrenkt. Lauf weg, Sarah! Um Gottes willen, lauf weg!«
Die Horror-Oma hörte sie zwar, beachtete sie aber nicht.
Weitere Kostenlose Bücher