0464 - Gemälde des Grauens
Sekunde. Die Entfernung zwischen den beiden schmolz zusammen. Nur mit Hilfe des Kreuzes trieb die Horror-Oma den Blutsauger aus dem Zimmer.
Seinen freien Arm hatte er erhoben und angewinkelt. Er konnte es nicht mehr ertragen, auf das Kreuz schauen zu müssen. Diese Ansicht bereitete ihm körperliche Schmerzen.
»Ja, geh nur«, sagte sie. »Geh nur weg! Aber ich werde dich bekommen. Es gibt keinen Platz mehr auf dieser Erde für dich, wo du dich vor mir verkriechen kannst.«
Er ging auch.
Aus seinem Maul drangen blubbernde Laute. Irgend etwas sprühte vor seinen Lippen, das Ähnlichkeit mit gelbem Speichel aufwies.
Seine Handlungen wurden ausschließlich von der reinen Angst diktiert, und als er sich drehte, stand er bereits am Beginn der Treppe, die er rückwärts hinab mußte.
Das schaffte er nicht.
Beim ersten Tritt verfehlte er die oberste Stufe, rutschte ab und rollte sich überschlagend den langen Rest hinab.
Mit dem Kreuz in der Hand blieb Lady Sarah oben stehen, ganz die Siegerin über den gefährlichen Blutsauger, der bis in den Flur hineinrutschte, auf dem Rücken zu liegen kam, die Augen öffnete und sein Gesicht im folgenden Augenblick zu höchstem Entsetzen verzerrte.
Etwas fiel auf ihn nieder.
Auch ein Kreuz, aber aus Silber!
Und das hatte ich fallenlassen.
***
Es zischte nicht einmal auf, als sich das Kreuz und die welke Haut des Mord-Vampirs berührten. Wie schon bei den ersten drei Monstren sahen wir auch hier keine Reaktion.
Kein Sterben – ein Bild war einfach ausgelöscht worden.
Was blieb zurück?
Einige schwarzgraue Farbflecken, vermischt mit hellroten Blutstreifen.
Auch die Axt war verschwunden, als hätte es sie und den Vampir nie gegeben. Leider standen zwei Tote als Beweis dagegen.
Der Fluch aber war gebrochen worden.
Hinter mir hielten sich Jane und Suko auf. Ich aber sah die Treppe hoch, wo Lady Sarah stand, eine Hand auf das Geländer gelegt, in der anderen das Kreuz.
Sie schaute zu mir herab, lächelte, und ich ging ihr entgegen. Vor ihr blieb ich stehen.
»Ja, mein Junge«, sagte sie. »Das wurde auch Zeit. Fast hätte er mich erwischt.«
Sie wollte noch etwas hinzufügen, da wurden ihr die Knie weich, so daß sie mir entgegenkippte und ich sie schnell auffing. Ich trug die Frau, die gut und gern meine Mutter hätte sein können, die Treppe hinab.
Suko hob die Schultern. »An den Zufall habe ich nie glauben wollen«, sagte er. »Und ich glaube auch nicht, daß uns der Zufall hier zusammengeführt hat.«
»Was dann?« fragte Jane.
»Es muß das Schicksal gewesen sein. Eine andere Lösung fällt mir nicht ein.«
Da stimmten wir ihm zu.
Eines stand fest. Es würde keine vier Grusel-Monstren mehr geben, die aus einem Bild stiegen, um Menschen zu jagen. Ein Fluch war gelöscht worden, aber viele andere bedrohten noch die Menschheit…
ENDE
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