047 - Der Schlitzer aus dem Jenseits
rührte mechanisch in der heißen chinesischen
Entenlebersuppe, die der Kellner inzwischen gebracht hatte. Sie liebte die
indische und chinesische Küche.
„Ehrlich
gesagt: Ich halte nichts von dem ganzen Kram. Ich kann mir nicht helfen, aber
wenn ich solche Sachen lese oder höre, dann sträuben sich mir innerlich die
Haare!“ Sie ließ einen Seufzer folgen, als hätte sie alle Last der Welt zu
tragen.
„Ähnlich dachte
ich - damals. Ein Bekannter erzählte mir von dem Zirkel, dem er angehört.
Anfangs war es Neugierde. Aber dann wurde ich durch die Erlebnisse dort immer
stärker an den Verein gefesselt. Schon ganz zu Beginn äußerte ich den Wunsch,
daß ich interessiert daran wäre, mit meiner Schwester Kontakt aufzunehmen. Das
erschien mir als die einzig wahre Bestätigung, ob es sich bei dem Club um
Schwindler handelte oder nicht.
Man unternahm
auch mehrere Versuche, aber offensichtlich taugten die Medien nichts. Ich selbst
wälzte von diesem Zeitpunkt an eine Unmenge Bücher über Parapsychologie, über
Magie, Spiritismus und Materialisation. Ich las alles. Darstellungen und
Gegendarstellungen. Es gab viele Betrüger, die man entlarvt hatte - aber es gab
-, und gibt noch immer - ernsthafte Wissenschaftler, die sich mit den Dingen
außerhalb des Diesseits befassen, die erforschen wollen, was meta und para wirklich bedeutet, im
wahrsten Sinn des Wortes.
Man weiß
heute, daß jeder Gegenstand - ob belebt oder unbelebt - Strahlen aussendet.
Auch der Mensch wird von einem Strahlenkranz umgeben, von einer Aura. Sehr
sensible Personen spüren diese Aura nicht nur - sie sehen sie richtig.
Der ganze
Körper eines Menschen ist eine einzige leuchtende Masse. Mit Hilfe von
Registrierapparaten hat man festgestellt, daß diese Aura, die immer wieder von
Medien gesehen wird, tatsächlich vorhanden ist. Es gibt Hinweise, daß dieses
Leuchten sogar an tierischen und menschlichen Leichen entdeckt wurde.
In seinem Buch
Geschichte des Spiritismus beschreibt Ritter de Vesme solche sonderbaren Fälle.
Unter anderem erwähnt er einen Italiener, der beim Zerlegen eines Truthahns in
dem rohen Fleisch plötzlich auf ein bläuliches Licht aufmerksam wurde, das aus
diesem Fleisch kam. Ein Professor der Chemie unterzog diesen merkwürdigen
Truthahn einer eingehenden Prüfung auf Phosphor. Aber es stellte sich heraus,
daß in dem zur Prüfung vorgelegten Fleisch nicht die geringste Spur Phosphor
nachgewiesen werden konnte.
Diese
leuchtende Aura, wie sie um Gegenstände und lebende Menschen ebenfalls
vorhanden ist, läßt uns nur ahnen, daß unser Wissen noch äußerst mager ist. Man
weiß um diese feinstoffliche, strahlende Materie und schreibt sie
unerklärbaren, mystischen Erscheinungen zu. Ich könnte dir hundert verschiedene
Beispiele aus Büchern von Dr. Briere de Boismont, von Gräfin Zoe
Wassilko-Serecki, von Kerner, Wüstel und Mauchart bringen - doch es ist nicht
meine Absicht, dir einen längeren Vortrag zu halten und Dinge plausibel zu
machen, für die ich Monate brauchte, um mich einzuarbeiten.
Wichtig allein
ist im Moment nur eines: Du mußt begreifen, daß jedes Molekül, jedes Atom
ständig unsichtbare Strahlen aussendet. Selbst nach dem Tod bleibt das Strahlen
der Substanz, die einst ein Mensch war, weiter bestehen. Und man hat festgestellt,
daß jede Aura, jedes Strahlen, einmalig ist. Die Aura eines Menschen ist
genauso unverwechselbar wie etwa die Papillarlinien seiner Finger.
Wenn es nun
einem Medium gelingt, eine solche Aura aufzuspüren, dann kann diese Aura sich
zu erkennen geben. Das geschah zum Beispiel meiner Schwester, Linda. - Die
Menschen, zu denen ich vor etwa 14 Monaten stieß, waren mir fremd. Ich kannte
sie nicht - sie wußten nichts von dem Leben, das ich vorher geführt habe.
Caroline war ihnen ebenfalls unbekannt. Kannst du verstehen, daß ich wie vor
den Kopf gestoßen war, als ich gestern abend Carolines Stimme hörte? Nur ich
konnte diese Stimme identifizieren - und keiner der Anwesenden hätte sie
nachmachen können - weil niemand von ihnen je mit meiner Schwester zusammengetroffen
ist!“
●
Als der
Kellner kam und das Hauptgericht brachte, war Linda so in Gedanken versunken,
daß ihr diese Handlung gar nicht bewußt wurde.
„… wenn es so
ist, wie du sagst“, murmelte sie, „dann muß ich anfangen, meine Vorurteile zu
revidieren.“
„Was ich dir
gesagt habe, ist noch eine harmlose Form, Linda. Es gibt Menschen, die fallen
in Ohnmacht, wenn sie Zeuge einer
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