047 - Der Schlitzer aus dem Jenseits
Nebel schnell voranzukommen. Er mußte vom anderen Ende
der Stadt zum Strand kommen, wie die Londoner dieses elegante Viertel der Stadt
bezeichneten.
Doch Hunter
schaffte es. Der grauweiße Bentley, den er fuhr, hob sich kaum von dem
bleiernen Nebel ab, der zäh in den Straßen hockte. Der Himmel war nicht zu
sehen, die Häuser nur verschwommen wahrnehmbare, riesige Kästen am Rande der
Straße.
Linda Davon
ging gerade die breiten Stufen zum Eingang des Restaurants hoch, als sie die
Schritte hinter sich vernahm. Schritte, die sie kannte. Die Journalistin drehte
sich um. Hunter stand vor ihr.
Gemeinsam
betraten sie das Restaurant. Ein Kellner führte sie zu einem Tisch, wo sie
beide ungestört waren. Nach der Bestellung kam der junge Mann sofort auf das
Wesentliche zu sprechen.
„Du magst das
Ganze sicher ein wenig merkwürdig finden, nicht wahr?“ begann er. Seine grauen
Augen suchten den Blick der hübschen Frau. Linda war ein reizendes Geschöpf.
Frank bedauerte, daß er zu wenig mit ihr zusammenkam. Sein Beruf brachte es mit
sich, daß er oft wochenlang irgendwo im Land unterwegs war.
Als Vertreter
für Bett und feine Unterwäsche kam er überall herum. Hielt er sich wirklich mal
in London auf, dann wollte es der Zufall, daß Linda Davon gerade nicht in der
Stadt weilte, weil sie eine interessante Story für das „Weekend“ brauchte. Seit
einem Jahr kannten sie sich, aber sie waren nicht mehr als acht- oder zehnmal
in dieser Zeit zusammengetroffen.
Als Hunter
seine attraktive Tischdame vor sich sah, kam ihm zu Bewußtsein, wieviel er
eigentlich versäumte. Linda war nicht gerade eine sexbetonte Frau, aber in
ihrer Nähe war die Luft doch irgendwie mit Erotik angereichert.
Sie strahlte
jenes gewisse Etwas aus, das eine Frau zum Weib machte.
Linda
lächelte, als Frank so sprach. „Vielleicht hast du in den letzten Tagen öfter
versucht, mich zu erreichen. Und zu irgendeiner Tageszeit muß es ja schließlich
mal klappen…“ Ihre Wangen waren ein wenig gerötet. Es war ein natürliches Rot.
Linda ging sparsam mit Make-up um. Die Haltung, in der sie ihm gegenübersaß,
brachte ihren ganzen Charme zum Ausdruck.
„Das ist es
nicht allein. Ich war gestern schon in London - und ich bin sicher auch die
beiden nächsten Tage noch hier…“
Sie zog die
schmalen Augenbrauen hoch. „Die Geschäfte gehen schlecht? Haben die Frauen
nicht mehr soviel Interesse an hübscher Unterwäsche? Das kann ich mir, ehrlich
gesagt, gar nicht vorstellen.“
„Die Geschäfte
gehen nicht schlecht. Es hängt mit dem zusammen, weshalb ich mich mit dir
getroffen habe. - Ich war gestern bei einer spiritistischen Sitzung anwesend.
Ich hatte zum erstenmal ein Erlebnis, das mich beeindruckt hat, Linda.“
Sie sah ihn
aus großen Augen an. Als sie sich kennenlernten und er ihr verriet, daß er sich
mit Spiritismus befasse, war ein Gefühl der Abneigung in ihr wachgeworden.
Hunter war ein gutaussehender und sympathischer Bursche. Aber sie hatte etwas
gegen Spinner und Phantasten. Doch erstaunlicherweise hatte Linda bei Hunter
nicht den Eindruck gehabt, daß er ein Phantast sei.
„Was hast du
erlebt, Frank?“ Ihre Lippen waren leicht geöffnet und schimmerten
verführerisch.
„Der Zirkel
wiederholt es heute abend. Ich habe Winter - das ist der Leiter - gefragt, ob
ich jemand mitbringen darf. Er hat nichts dagegen einzuwenden.“
„Habe ich das
meiner Schönheit oder deinem Geschick zu verdanken?“ fragte sie und blickte ihn
von unten herauf an. Linda griff nach dem Aperitif. „Good Health…“
Fünf Sekunden
Schweigen.
„Ich habe zum
erstenmal - meine Schwester gehört, Linda!“
Die Hand der
Journalistin zitterte, als sie das Glas auf den Tisch zurückstellte. „Das kann
nicht wahr sein!“ Lindas Stimme klang belegt.
„Eine
Täuschung ist ausgeschlossen.“
Frank Hunter
hatte vor vierzehn Monaten seine Schwester Caroline durch einen Verkehrsunfall
verloren. Während er wie durch ein Wunder unverletzt aus dem völlig
zertrümmerten Wagen steigen konnte, war Caroline herausgeschleudert und an
einem Baum zerschmettert worden. Zwischen Hunter und seiner Schwester hatte ein
besonders herzliches Verhältnis bestanden, so daß er Carolines Verlust nie
überwand.
„Ich habe sie
sprechen gehört. Es war ihre Stimme. - Heute abend will Winter eine
Materialisation versuchen.“
„Du bist
überzeugt davon, deine Schwester nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen,
Frank?“
„Ja.“
Linda
schüttelte den Kopf und
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