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0477 - Das Schwert des Träumers

0477 - Das Schwert des Träumers

Titel: 0477 - Das Schwert des Träumers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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nicht einmal zu unrecht. Man konnte sie nicht mehr mit normalen Maßstäben messen - das »normal« des vorigen Jahrhunderts vorausgesetzt. Alles war anders geworden. »Gegen die jetzige Erde muß die Hölle das Paradies sein«, keuchte der Druide.
    Er versuchte alles, die Blutung zu stoppen. Aber er kam gegen den Durchschuß nicht an, der ihm gleich zwei Wunden verursacht hatte. Es war fast ein Wunder, daß er überhaupt noch lebte. Er hatte sogar versucht, die Ein- und Austrittskanäle der Kugel ungeachtet seiner Schmerzen mit Stofffetzen zuzustopfen, aber auch das war ihm nicht gelungen. Dabei hätte er selbst die schlimmste Infektion in Kauf genommen - wenn er überlegte, gab es auch Möglichkeiten, damit fertig zu werden. Aber mittlerweile hatte er schon zu viel Blut verloren.
    Er konnte nur noch auf den Tod warten.
    Er dachte an damals, als er zum Vampir geworden war. Warum war er es nicht geblieben? Warum hatte Zamorra ihn retten müssen? Als Vampir brauchte er Schußverletzungen nicht zu fürchten; die Wunden schlossen sich sofort wieder. Die beiden einzigen Dinge, die einen Vampir töten konnten, waren der geweihte Eichenpflock, ins Herz geschlagen, oder helles Tageslicht. Und selbst dagegen waren manche modernen Vampire mittlerweile immun.
    Gryf sank zurück auf den harten Boden und in die Lache roter Flüssigkeit, die seinen Jeansanzug längst durchnäßt, verfärbt und verklebt hatte. Er wünschte sich, noch einmal eine Pfeife rauchen zu können; ein letzter kleiner Genuß vor dem Abgang. Aber er besaß nicht mehr die Kraft und die Konzentration, die Pfeife zu stopfen und in Brand zu setzen.
    Da fiel der dunkle Schatten über ihn.
    »Wer bist du, dunkler Schatten?« fragte Gryf heiser.
    Und der Schatten antwortete: »Man nennt mich ›Gevatter Tod‹.«
    ***
    Mai 1992, Merlins Burg Caermardhin:
    Auf dem Berggipfel im südlichen Wales erhob sich weithin sichtbar die Burg. Die Legende sagte, sie zeige sich den Blicken der Menschen nur dann, wenn dem Dorf oder der Welt Gefahr drohte. Oft genug schon hatte sich dieser Spruch als wahr erwiesen, und die Menschen im Tal, im Dorf Cwm Duad, erschauerten, als sie das riesige Bauwerk über den Wipfeln der Bäume auf der Bergspitze entdeckten. Rasch ging ein Raunen von Haus zu Haus.
    Etliche konnten dem alten Aberglauben, wie sie es nannten, nicht mehr viel abgewinnen. Aber jene, die bei früheren bedrohlichen Erscheinungen dabeigewesen waren, als Merlin und Zamorra dem Bösen Einhalt geboten, fragten sich jetzt, ob es diesmal auch wieder Hilfe geben würde.
    Im Inneren Caermardhins gab es nur zwei Wesen, die davon überzeugt waren: Julian Peters und Asmodis.
    Julian, der Träumer, betrachtete nachdenklich das Schwert, das er selbst geschmiedet und geformt hatte und das dazu geschaffen war, eine schier unglaubliche Kraft in sich aufzunehmen und nutzbar zu machen. Damals, als er begann, daran zu arbeiten, hatte er nicht einmal gewußt, weshalb er sich diese Mühe machte. Er hatte es einfach getan, einer Eingebung folgend. Jetzt wußte er, wozu es gut war.
    Nur das Schwert des Träumers konnte den Drachen der Zeit erschlagen.
    Merlins Fehler mußte korrigiert werden.
    »Aber deine Kraft reicht dazu nicht aus. Ein solches Unterfangen ist auch für dich eine Nummer zu groß, Julian.«
    »Ich werde die Realitäten gegeneinander austauschen.«
    »Aber dir fehlt die Energie.«
    Und da hatte Asmodis sich angeboten, diese Energie zu besorgen. »Ich werde Astaroth und Astardis befehlen, und ich werde Lucifuge Rofocale bitten. Der Bitte des Fürsten der Finsternis wird er sich nicht verweigern, zumal es auch um seine eigenen Interessen geht.«
    Damit verschwand Asmodis aus Caermardhin.
    Julian grübelte. Fürst der Finsternis? Hatte Sid Amos zum zweiten Mal die Seiten gewechselt? Hatten jene recht, die wie der Druide Gryf stets behauptet hatte: »Teufel bleibt Teufel«? War alles wirklich nur ein großangelegtes Spiel gewesen, ein übler Trick?
    Julian war selbst Fürst der Finsternis gewesen. Er hatte den Thron verlassen, nachdem er ausgereizt hatte, was machbar war, und er keinen Gefallen mehr an dieser Seite der Macht fand. Seitdem versuchte er sich selbst zu finden, um zu erfahren, was seine Bestimmung war. Schließlich geschah es nicht jeden Tag, daß ein Mann, der über mehr Leben verfügte als eine Katze, und eine telepathisch begabte Frau ein Kind in die Welt setzten, das schon vor der Geburt von den Dämonen der Hölle so sehr gefürchtet wurde, daß sie alles daran

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