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0478 - Der Friedhof der Lebenden

0478 - Der Friedhof der Lebenden

Titel: 0478 - Der Friedhof der Lebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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dich«, sagte Angelique. »Eigentlich sollte ich an den Umsatz denken, aber nicht bei dir, und außerdem arbeite ich heute noch nicht wieder. Was ist mit dir los?«
    »Ich habe ein verdammtes Problem.«
    »Ja, Schwester, das sehe ich doch!« erwiderte Angelique. »Aber worum geht es? Kann ich dir helfen? Oder kann ich dir wenigstens zuhören?«
    »Ich brauche keine Hilfe. Die Blonde braucht sie«, sagte Valery leise und begann zu erzählen.
    Und Angelique hörte geduldig zu.
    »Du willst oder kannst also nicht zur Polizei«, resümmierte sie schließlich, »weil du glaubst, sie glauben dir nicht.«
    »Glaubst du mir denn?«
    »Sicher.«
    »Das sagst du jetzt nur.«
    Angelique schüttelte den Kopf. »Rede keinen Unsinn. Natürlich glaube ich dir, und vielleicht kann ich dir sogar helfen. Oder jemand, den ich kenne, hilft dir.«
    Valery schüttelte den Kopf und leerte das Glas. »Noch einmal, Buddy«, bat sie. Der Geldschein, der noch unangetastet auf dem Tresen lag, reichte dafür bei weitem aus. Buddy schenkte nach.
    »Du solltest nicht so viel trinken«, warnte Angelique. »Es ist nicht gut für dich.«
    »Ja«, seufzte Valery und nahm einen jetzt schon recht kräftigen Schluck. »Die Cops werden mich für betrunken halten.«
    »Nicht die Cops«, sagte Angelique. »Die spielen keine Rolle. Die werden dir nicht glauben.«
    »Du doch auch nicht, gib’s zu. Du stehst doch mit beiden Beinen fest auf Beton.«
    »Wenn, dann auf freischwebendem«, sagte Angelique leise. »Zumindest seit einiger Zeit. Weißt du, daß ich einmal den Gehörnten gesehen habe? Den mit dem Pferdefuß.«
    »Den Teufel?« Valery verschluckte sich. »Jetzt redest du völligen Unsinn.«
    »Ich habe sogar mit ihm gestritten«, sagte Angelique. »Siehst du, das glaubst wiederum du nicht. Dabei ist es die Wahrheit. Komm mit zu mir. Da gibt’s alkoholfreie Getränke, und mein Bruder ist heute ausnahmsweise mal zu Hause. Vielleicht kann er dir helfen.«
    »Du bist ja verrückt«, murmelte Valery, die sich nicht mehr unter Kontrolle hatte, weil der Alkohol bereits seine Wirkung tat. Sie leerte das Glas und schob es wieder über die Theke. »Nochmal«, forderte sie mit schwerer Zunge.
    »Gib ihr nichts mehr, Buddy«, verlangte Angelique.
    »Du schädigst mein Geschäft«, brummte der fette Wirt.
    »Ich arbeite eine Stunde umsonst, wenn du ihr nichts mehr gibst«, bot Angelique an.
    Buddy winkte ab. »So ein Quatsch! Komm, nimm sie mit. Deinen Job hast du ja ohnehin wieder, weil du so gut eingearbeitet bist wie keine andere. Wenn ich dich brauche, gebe ich Bescheid, wie früher, okay?«
    »Wie früher, Buddy. - Komm, Valery. Bevor mit dir noch ein Unglück geschieht.«
    Der Mann in der dunklen Kutte, dessen Kopf von einer eng anliegenden Totenschädelmaske bedeckt wurde, verließ die unterirdischen Räume auf dem kurzen Weg und erreichte über diesen den Friedhof . In seiner rechten Hand hielt er immer noch das Messer mit der beidseitig geschliffenen Klinge; in der linken die blonde Haarsträhne.
    Er schritt durch das hochstehende Gras und den Wildwuchs des verlassenen Totenackers, um den sich seit Jahrzehnten niemand mehr kümmerte. Abschätzend sah er sich um, als suche er nach etwas Bestimmten. Schließlich blieb er vor einem knorrigen Baum stehen. Er war sicher, daß dies der richtige Platz war.
    Der Platz wechselte ständig. Man mußte auf Zeichen achten, um die richtige Stelle zu finden. Der Mann in der Totenkopfmaske wußte sehr genau, was er zu berücksichtigen hatte. Natürlich durfte er sich auch keinen Fehler erlauben. Jeder Fehler war ein schlimmer Rückschlag, weil er das Gegenteil von dem bewirken würde, was der Große Plan vorsah.
    Der Kuttenträger schnitt mit dem Messer in den Baumstamm. Dann preßte er die Haarsträhne in den Einschnitt im Holz. Damit war der schwierigste Teil seiner Arbeit getan. Er hatten den richtigen Platz erwählt. Alles andere konnten seine Untergebenen erledigen.
    Der Kuttenträger wandte sich ab, schritt davon, und sobald er den verlassenen Friedhof verlassen hatte, nahm er den kurzen Weg, um sich endgültig zu entfernen.
    ***
    Yves Cascal schüttelte den Kopf. Er faßte seine Schwester am Arm und zog sie zur Seite. »Du mußt den Verstand verloren haben«, flüsterte er ihr zu. »Warum bringst du diese Frau hierher? Sie kann zu einer Gefahr werden! Hast du alles vergessen, wonach wir seit langer Zeit leben, nur weil du eine Zeitlang mit jenem Träumer zusammengewesen bist?«
    Sie schüttelte langsam den Kopf.

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