1396 - Das Blut der Sinclairs
Das überfiel die Detektivin in der Zeitspanne, als sie über die Gleise hinwegflog, dabei nichts sah und nur hoffen konnte, so zu landen, dass sie sich nicht alle Knochen brach.
Es folgte der Aufprall!
Jane spürte ihn von den Haaren bis in die Fußspitzen, denn sie war mit dem gesamten Körper aufgeschlagen. Zwar hatte sie noch versucht, sich in der Luft zusammenzurollen, ein wenig war es ihr auch gelungen, aber so glatt wie in den Action-Filmen mit Jackie Chan klappte das nicht.
Sie wollte es nicht, aber sie schrie trotzdem auf. Die Arme schützten instinktiv den Kopf, was auch gut war. Zwar hatte der Untergrund keine Betonhärte, aber es ging bergab, denn sie rutschte über einen Hang, und aus dessen Oberfläche schauten Steine. Die wenigsten von ihnen waren zu sehen, denn sie wurden durch das hohe Wintergras verdeckt, das an dieser Strecke wuchs.
Jane rutschte weiter. Sie überschlug sich dabei. Sie fluchte, sie hörte sich keuchen und schreien, während sie zugleich versuchte, die Haltung ihres Körpers zu verändern, damit die Rutschpartie so schnell wie möglich gestoppt wurde.
Es klappte auch. Noch zwei Umdrehungen – langsamer als die ersten –, dann lag sie still.
Und sie lebte!
Jane Collins konnte es kaum fassen. Das Blut rauschte in ihrem Kopf. Oder stammte das Geräusch von dem fahrenden Zug, der sich von ihr entfernte? Sie konnte es nicht sagen, denn die Freude darüber, dass sie noch am Leben war, überwog alles.
Die Erde war feucht. Jane lag mitten im Gelände und blieb auch in dieser Position, denn sie wollte zunächst mit sich selbst zurechtkommen und sich auch zurechtfinden.
Man hatte sie abknallen wollen wie ein Tier, das man jagte.
Einfach so. Die Kugel in den Kopf, die Leiche aus dem fahrenden Zug schleudern, das wäre es dann gewesen.
Selbst John Sinclair hatte es nicht verhindern können, auch wenn er alles eingesetzt hatte, was möglich war. Es war schließlich Jane Collins selbst gewesen, die es in letzter Sekunde geschafft hatte.
Praktisch in einem wahren Anfall von Todesmut hatte sie die Waffe des Killers zur Seite geschlagen und war dann aus dem fahrenden Zug gesprungen, der zum Glück seine normale Geschwindigkeit verringert hatte.
Ob es einem Menschen gut oder schlecht geht, ist eine relative Sache. Den Umständen entsprechend ging es Jane gut, denn sie lebte, und sie spürte Schmerzen, die allerdings nicht so stark waren, als dass sie sie beeinflusst hätten.
Sie war ja nicht nur gerutscht. Sie war hin und wieder in die Höhe geschleudert worden, mal aufgeprallt, wieder zurückgefallen und dann weiter geschliddert.
Das alles hatte sie erleiden müssen, und sie musste überprüfen, ob sie nun wirklich verletzt war oder nicht.
Noch lag sie am Boden. Nur langsam richtete sich Jane auf. Sie gelangte in eine sitzende Haltung, bewegte die Arme, als wollte sie Gymnastik treiben, und stellte fest, dass es in ihrer linken Schulter zog. Mehr auch nicht. Es waren keine Schmerzen, die sie bei irgendwelchen Aktionen behindert hätten. Sie konnte den Arm trotzdem anziehen und auch wieder ausstrecken.
Der rechte Fuß war okay, nur im rechten Fußknöchel gab es Probleme, wenn sie ihn zu stark drehte.
Sie zog die Beine an. Auch das klappte ohne Probleme. Natürlich hatte ihr Körper auch einiges abbekommen, nur wäre es schlimmer gewesen, wenn sie eine andere Kleidung getragen hätte. Es war Winter, so hatte sie der Mantel mit dem dicken Futter geschützt, auch wenn er jetzt nicht mehr aussah wie noch vor zehn Minuten.
Zum Glück hatte sie ihn noch übergestreift, bevor sie das Abteil zusammen mit John verlassen musste.
John Sinclair!
An ihm hingen ihre nächsten Gedanken. Sie war aus dem Zug gesprungen – und er?
Jane wusste es nicht. Sie hoffte allerdings, dass er es auch schaffen würde. Seine Chancen standen gut, denn das mörderische Trio – bestehend aus einer Frau und zwei Männern – war an ihm interessiert und weniger an Jane. Sie war nur ein störendes Beiwerk gewesen, das aus dem Weg geschafft werden sollte.
Und genau das hatte nicht geklappt!
Plötzlich war dieser Gedanke so nah und steckte so dicht in ihr, dass sie das Lachen nicht mehr unterdrücken konnte. Es musste einfach raus, ob sie wollte oder nicht. Und so lachte sie in die dunkle und leere Landschaft hinein, denn nur so konnte sich Jane von dem wahnsinnigen Druck befreien.
»Ich bin okay«, keuchte sie vor sich hin. »Verdammt noch mal, ich bin okay. Das Leben geht weiter…« Noch ein letzter
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