0480 - Der Doppel-Zombie
stark genug gewesen. Die Magie Baphomeths war voll in die Maske eingeschlagen und hatte das Silber zum Schmelzen gebracht. Noch jetzt, da alles Tage zurücklag, glaubte er die Hitze zu spüren und die fürchterlichen Schmerzen, die sein Gesicht durchzogen hatten, als sich die Haut fast auflöste. Die zerschmelzende Maske hätte alles zerstört, wäre John Sinclairs Kreuz nicht gewesen, das er im letzten Augenblick auf das schmelzende Silber geschleudert und somit den fürchterlichen Vorgang gestoppt hatte.
Dennoch war die erste Hälfte des Unheils nicht aufzuhalten gewesen. Der Abbé hatte nicht verhindern können, daß etwas von dem schmelzenden Metall in seine Augen gelaufen war und deren Sehkraft zerstört hatte. Der Abbé war blind geworden.
Ich bin blind!
Auch als er unter den schrecklichen Schmerzen litt, hatte er sich diese Tatsache stets vor Augen gehalten und war in eine Art von Panik gefallen.
In den ersten Stunden, wo er dieses Grauen so hautnah erlebte, hatte er sich umbringen wollen. Wäre John Sinclair nicht gewesen, hätte er es auch getan, doch der Geisterjäger hatte ihn von diesem dummen Vorsatz abhalten können.
So lebte er weiter und hatte gelitten. John Sinclair war während des Transportes aus dem Elsaß zum Frankfurter Flughafen nicht von seiner Seite gewichen. Auch weiter nach London hatte er ihn begleitet, ihm Trost zugesprochen und auch davon berichtet, daß es in London Spezialisten gab, die dem Abbé das Augenlicht zurückgeben würden.
In London war schon alles vorbereitet gewesen. Von der eigentlichen Operation hatte der Templer nichts mitbekommen. Nachdem er aus der Narkose wieder erwacht war, lag er in einem Einzelzimmer, und seine Augen bedeckte eine Binde.
Zunächst hatte er sich nicht getraut, danach zu fassen. Nach Stunden erst konnte er sich überwinden.
Doch es blieb die Ungewißheit, ob er nach der Abnahme der Binden würde wieder sehen können.
Der Abbé lag in seinem Zimmer, erholte sich zusehends und geriet auch wieder ins Grübeln.
Was würde sein, wenn die Operation erfolglos war und er sein Augenlicht nicht zurückbekam? Daran zu denken, bereitete ihm körperliches Unbehagen und steigerte gleichzeitig noch die Angst in seinem Innern. Es war zu Schweißausbrüchen gekommen, er hatte nach der Klingel getastet, um den Arzt zu erreichen.
Die Schwester war nur gekommen.
»Kann ich wieder sehen?« Mehr Fragen stellte er nicht, und die Schwester hatte ihm ebensowenig eine Antwort gegeben, wie der ihn behandelnde Arzt.
So dämmerte der Abbé dahin. Er wußte nicht, ob es Tag oder Nacht war.
»Kann ich wieder sehen?«
»Das wird Ihnen der Doktor sagen!«
Aber der sagte nichts Konkretes. Einmal waren sie zu mehreren Personen gekommen, hatten ihn untersucht und ihm anschließend eine Spritze gegeben. Danach war er aus dem Zimmer gefahren worden und wieder auf den OP-Tisch gekommen.
Verändert hatte sich nichts. Nur das Brennen war etwas schwächer geworden.
Und wieder verrann Zeit.
Zu quälenden Einzelheiten reihten sich die Stunden aneinander. Es waren auch Anrufe gekommen.
Einmal hatte der Abbé mit John Sinclair gesprochen, später mit seinen Brüdern in Frankreich die ihm zur Seite standen und über sein Schicksal informiert worden waren.
Natürlich wollten sie kommen, aber der Abbé lehnte es ab. Er würde ihnen früh genug Bescheid geben.
Konnte er wieder sehen?
Diese Frage entwickelte sich zum eigentlichen Kriterium. Je mehr er darüber nachdachte, um so stärker verblaßte sie auch, und der Abbé verfiel in Teilnahmslosigkeit.
Bis zu einem bestimmten Punkt. Er konnte im nachhinein nicht einmal sagen, wer oder was ihn aus diesem Zustand herausgeholt hatte, und es war auch kein Ereignis im eigentlichen Sinne, das er in Worte fassen konnte. Jedenfalls war es da.
Ein Gefühl nur, mehr ein Zustand der Angst, die die Seele des Abbés zu erdrückten drohte.
Ja, es war die Angst. Und diesmal hatte sie nicht einmal direkt etwas mit seinem Zustand zu tun.
Obwohl er sein Augenlicht erst vor kurzem verloren hatte, dachte er doch weiter und spürte genau, daß sich seine anderen Sinne noch mehr verstärkt hatten.
Er konnte besser tasten, hören, riechen, und auch seine Sinne hatten sich verschärft.
Da war etwas…
Er konnte es nicht sehen, aber spüren und ahnen. Der Abbé versuchte, es in Worte zu fassen, es fiel ihm ungemein schwer. Da er nicht mehr nach außen schauen konnte, konzentrierte er sich auf sein Inneres, um das andere fassen zu
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