0484 - Die Rächerin aus Aibon
vielleicht noch eine Chance gehabt, weil Suko mich möglicherweise befreit hätte. Hier draußen auf der Insel nicht, denn Jarveena war noch mächtiger als ich angenommen hatte.
Sie überschritt die Grenzen meiner Welt und tauchte ein in die ihre.
Sie schaffte mich nach Aibon, wo ich endgültig sterben sollte…
Getrennt marschieren, vereint schlagen!
Daran dachte Suko, und er war froh, daß wir gemeinsam die Adresse Tom Sullivans herausgefunden hatten. So wußte der Inspektor, wo sich der Maler hin zurückgezogen hatte.
Wieder mußte er sich ein Taxi nehmen. Die Fahrt zu seinem Ziel kam ihm vor wie eine Folter-Rallye. Er spürte, daß sich sein Freund John Sinclair in großer Gefahr befand und konnte nur noch hoffen, nicht zu spät zu kommen.
Der Fahrer tat sein Bestes. Mit einer Polizeisirene hätte es natürlich besser geklappt, aber auch so jagte er manchmal mit einer fast lebensgefährlichen Geschwindigkeit über die Straßen. Für Strafzettel wollte Suko aufkommen.
Am Ufer der Themse rollten sie langsamer vorbei. Längst hatte Schotter den Asphalt abgelöst. Die Straßenkarte lag auf Sukos Knien, und er verglich die Fahrtstrecke mit den auf den Karten abgedruckten Wegen.
»Sie müssen sagen, wenn ich halten soll, Sir.«
»Ja, geht in Ordnung.«
Suko arbeitete sehr konzentriert. Er verglich die Formen der im Wasser liegenden Inseln mit denen auf der Karte und freute sich, als er die erkannte, auf der Tom Sullivan leben mußte.
»Halten Sie an!« Suko hielt den Fahrpreis bereits in der Hand, plus einem zusätzlichen Trinkgeld.
Der Fahrer bekam die Summe, fragte, ob er warten sollte, aber Suko verneinte. »Sie können im Yard anrufen. Lassen Sie sich dort mit einer Miß Perkins verbinden und erklären Sie ihr, wo Sie mich hingefahren haben. Sie soll dann einen Wagen mit Fahrer schicken.«
»Geht in Ordnung, Sir. Und viel Glück!«
»Danke, das kann ich brauchen.« Suko befand sich schon auf dem Weg zum nahen Ufer, wo er einen Steg entdeckt hatte, der Insel und Festland miteinander verband.
Der Steg war sehr morsch und wacklig. Suko setzte seine Schritte behutsam. Manchmal hatte er den Eindruck, über Schwämme zu schreiten, so weich war der braungraue Untergrund. Über die Lücken glitt er hinweg, erreichte die Insel, wühlte sich durch das sperrige Gebüsch und sah schon sehr bald die Hütte.
Die Tür stand weit offen. Wenn sich jemand in dem Haus befand, mußte er sich sehr still verhalten, weil keinerlei Geräusche nach draußen drangen.
Die Füße des Chinesen schleiften durch das Gras, als er sich im toten Winkel seinem Ziel näherte, neben dem Eingang stehenblieb und in die Hütte schaute.
Viel erkannte er in ihrem düsteren Innern nicht. Weder John Sinclair noch das Mädchen mit den drei gläsernen Särgen waren zu sehen. Dafür aber der Besitzer. Suko nahm jedenfalls an, daß er es war.
Er hockte auf einem Stuhl und stierte ins Leere. Tom Sullivan mußte Sukos Schritte gehört haben, dennoch schaute er nicht auf, sondern blieb sitzen.
Suko stoppte vor ihm. Auch jetzt regte sich Sullivan nicht. Sein graues Haar war nach vorn gefallen und hing über der Stirn wie ein Vorhang.
»Wo sind sie?« fragte Suko.
»Ich weiß es nicht!« hörte er die tonlose Antwort.
»Aber sie waren da?«
»Ja, der Mann und die Frau. Sie zog die drei Särge hinter sich her. Zwei waren belegt, als sie hereinkam. Den dritten hatte sie für mich bestimmt. Aber ich sitze hier.«
»Ist der Sarg leer geblieben?«
»Nein.« Sullivan schüttelte leicht den Kopf. »Er hat einen anderen Gast bekommen, den Blonden.«
Suko ballte die rechte Hand zur Faust und schluckte. Seine Ahnung hatte ihn nicht getrogen. Trotz aller Eile war er zu spät gekommen. Durch die offene Tür fiel das Tageslicht in einem breiten Streifen und ließ auch die Spuren erkennen, die sich auf dem Boden abzeichneten. Es waren Schleifspuren. Die Särge hatten sie hinterlassen. Drei Streifen wirkten im Staub wie hingepinselt.
»Sie haben also die Hütte verlassen?« fragte Suko.
»Ja.«
»Und wo sind sie hin?«
Tom Sullivan hob die Schultern. »Sie gingen nach draußen. Dann sah ich sie nicht mehr.«
Suko packte den Maler an der linken Schulter und schüttelte ihn durch. »Was heißt das, Sie sahen ihn nicht mehr?«
»Sie waren plötzlich weg. Sie gingen in das grüne Licht und lösten sich auf.«
Sukos Hand rutschte wieder ab. Tom Sullivan brauchte nichts mehr zu sagen. Er wußte auch so Bescheid. Jarveena war mit ihrer Beute dorthin
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