049 - Wenn der rote Hexer kommt
ihm fern, Stella irgend etwas einzureden. Schließlich sollte sie ja zufrieden den Laden verlassen und nach Möglichkeit wiederkommen.
Jeff legte ihr ein breites Platinarmband über das zarte Handgelenk und fragte, wie es ihr gefalle.
Sie kam nicht dazu, zu antworten, denn auf einmal brach die Hölle los.
Kunden und Verkäufer trauten ihren Augen nicht, als plötzlich vier knurrende Wolfswesen im Laden standen.
***
Stella Bru wurde kreidebleich und stieß einen schrillen Schrei aus.
Jeff Marshall fuhr herum. Angst kannte er nicht. Er war noch nie ein Feigling gewesen, und als Halbwüchsiger hatte er ausgezeichnet geboxt.
Für ihn stand fest, daß er es mit maskierten Verbrechern zu tun hatte, die bei Justin Carpenter absahnen wollten, und er fühlte sich für Stellas Sicherheit verantwortlich.
Die Angestellten standen wie erstarrt da. Eine grauhaarige, elegante Dame faßte sich ans Herz, schwankte und brach ohnmächtig zusammen.
Niemand wagte sich um sie zu kümmern. Die Werwölfe schwärmten aus. Justin Carpenter versuchte den Alarmknopf zu erreichen, doch als er den ersten Schritt machte, flankte einer der Unheimlichen über das Glaspult und schlug ihn nieder.
Jeff hatte ihn nicht aufhalten können, denn seine zu Fäusten geballten Hände forderten einen zweiten Wolf heraus. Dieser stieß sich fauchend ab und katapultierte sich Jeff Marshall entgegen.
Stella Bru stockte der Atem. Sie faßte sich an die bebenden Lippen und verfolgte den Kampf mit schreckgeweiteten Augen.
Jeff rammte dem Monster die Faust in den Bauch und sprang dann sofort zurück. Sein zweiter Schlag traf den Schädel des Werwolfs.
Unerschrocken setzte er zu einem Rundschlag an, doch da hetzte noch ein Wolf heran.
»J-e-f-f-!« schrie Stella Bru verstört.
Jetzt traf ein Prankenhieb Jeff Marshalls Schulter. Die Krallen fuhren durch den Stoff und ritzten die Haut. Stella sah Blut und schrie wieder.
Jeffs Gesicht verzerrte sich. Er preßte die Kiefer fest zusammen, während ein glühender Schmerz durch seinen Arm raste. Er war angeschlagen, gehandicapt.
Waren das tatsächlich Masken, die so grauenerregend echt aussahen?
Er begriff, daß er diesen Kampf nicht mehr gewinnen konnte. Er hatte es mit zwei Gegnern zu tun – und er war verletzt. Keuchend wich er zurück, doch die Wolfswesen begnügten sich nicht damit, daß er aufgab. Er hatte es gewagt, sie anzugreifen, und dafür wollten sie ihn bestrafen.
Mit immer neuen Prankenhieben trafen sie ihn. Sie zerfetzten seinen Anzug total, rissen ihm das Hemd vom Körper und schlugen ihm ihre scharfen Krallen ins Fleisch.
Er brach zusammen, doch die Monster ließen immer noch nicht von ihm ab.
»Hört auf!« kreischte Stella Bru entsetzt. »Ihr bringt ihn ja um!«
Genau das hatten die Werwölfe vor. Vor aller Augen nahmen sie sich Jeff Marshalls Leben, und anschließend plünderten sie den Juwelierladen. Niemand wagte sich ihnen in den Weg zu stellen.
***
Hanya Bums schaute sich um. Weiße Marmorwände umgaben sie, glatt und nüchtern. Es befand sich absolut nichts in dem kleinen fensterlosen Raum. Hoch über ihr strahlte ein Neonring.
Hanya wußte nicht, wo sie sich befand und auf welchem Wege sie hierher gekommen war. Sie kam erst in diesem kalten Raum zu sich und brauchte lange, um die Erinnerung wie ein Puzzlespiel zusammenzusetzen.
Was war aus dem Jogger geworden, den sie um Hilfe angefleht hatte und der sie beschützen wollte? Hatten ihn diese Männer mit ihren Polostöcken erschlagen?
Hanya Burns erhob sich. Sie spürte Tränen über ihre Wangen laufen und wischte sie ab. Benommen lehnte sie sich an die Wand.
Ich bin verloren, dachte sie. Wer könnte mir jetzt noch helfen?
Sie rutschte mit der Schulter an der glatten Wand entlang und erreichte die Tür aus massivem Eichenholz. Als ihr Blick auf den gelben Türknauf fiel, weiteten sich überrascht ihre Augen.
Hanya betrachtete den Knauf aus nächster Nähe. Das war nicht Messing, soviel erkannte sie sofort. Der Knauf schien aus purem Gold zu bestehen!
Marmorwände, ein goldener Türknauf! Sie mußte die Gefangene von immens reichen Leuten sein.
Zaghaft legte sie ihre Finger um den Knauf. Obwohl ihr klar war, daß man sie eingesperrt hatte, versuchte sie die Tür zu öffnen. Es gelang ihr nicht, aber sie war nicht enttäuscht. Sie hatte nichts anderes erwartet.
***
»Ist es noch weit, Tony?« fragte Vicky Bonney.
»Fünf Minuten«, antwortete ich.
»Was wirst du tun, wenn du diese Männer wiedersiehst?«
Ich grinste.
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