0490 - Feuerschädel
tatsächlich nur seiner Sucht nachgeben wollte, als er mit allen zehn Fingern in die Marmelade griff und dann seine Finger genußvoll abschleckte. Aber wenn es ihm nur ums Naschen ging, wäre er mit dem Topf nach draußen geflüchtet, statt in der Reichweite des Rächers zu bleiben, der sich nur deshalb nicht auf den Marmeladendieb stürzte, weil Zamorra ihn immer noch festhielt.
Da intonierte der Gnom Zauberformeln!
»Was macht der kleine Schmierfink da?« keuchte Ulluquart, der sich nicht losreißen konnte. »Professor, lassen Sie mich endlich los! Das Zeug war teuer! Wissen Sie, was zehn Pfund für mich sind? Hier oben verdient man lausig, weil die Kerle ihren Whisky einfach selber brennen, statt in die Kneipe zu kommen…«
»Sie kriegen von mir zwanzig Pfund«, versuchte Zamorra den aufgebrachten Wirt zu beruhigen.
In diesem Moment war der Gnom mit seinem Zauber fertig.
Die Erdbeermarmelade gab es nicht mehr.
Zamorra konnte Ulluquart jetzt loslassen, weil der beruhigt war; Zamorra war für ihn kreditwürdig. Der Parapsychologe näherte sich William und dem Gnom. Er ahnte etwas!
William war nicht mehr leichenblaß. Sein Gesicht war gerötet, und sein Herzschlag raste fast zu schnell! Nur die Augen öffnete er noch nicht wieder.
Der Gnom lächelte.
»Ich hab’s geschafft, nicht wahr, Herr deMontagne?« sagte er leise. »Rot zu Rot, Blut zu Blut. Ich hab’s geschafft, ja?«
Zamorra nickte langsam. »Du hast es geschafft, mein Freund. Du hast ihm das Leben gerettet.«
In den Augen des Gnoms schimmerten Tränen. »Dabei habe ich gefürchtet, es würde wieder einmal schiefgehen, wie so oft. Aber es ist gelungen. Er lebt, nicht wahr?«
Zamorra nickte noch einmal. »Danke, mein Freund«, sagte er leise.
Ulluquart kam heran. »Ich will ja nicht drängen, Professor, aber wie ist das nun mit meinen zwanzig Pfund?«
Zamorra kramte das Geld aus der Börse. »Erstick dran, Schotte«, knurrte er böse. »Und komm bloß nicht auf die Idee, den Notarzt jetzt abzubestellen. Den braucht William nämlich trotzdem noch!«
»He, warum sind Sie plötzlich so unfreundlich, Professor?« stieß Ulluquart hervor.
»Falls es für mich einen Grund zur Entschuldigung gibt, sollten wir uns später darüber unterhalten«, sagte Zamorra, faßte den Gnom bei der Schulter und zog ihn mit sich. »Komm, Freund ohne Namen. Wir müssen Lady Patricia suchen.«
Der Gnom ließ sich mitziehen. »Herr deMontagne«, stieß er hervor. »Ihr seht mich verwirrt. Ständig nennt Ihr mich Euren Freund, dabei steht Ihr so hoch über mir. Bitte verhöhnt mich nicht.«
»Ich verhöhne dich nicht«, sagte Zamorra. »Dafür schätze ich dich viel zu hoch ein. Du hilfst anderen, ohne zu fragen. Du bist ein besserer Mensch als die, die glauben, über dir zu stehen. Ich danke dir aus ganzem Herzen, daß du William gerettet hast.«
Rot anlaufen konnte der Gnom nicht, noch schwärzer werden auch nicht. Aber er kam ins Stottern.
»I-Ich g-glaube, d-das war d-doch nur Zufall!« stieß er hervor.
Zamorra zuckte mit den Schultern und schob ihn in den Fond des Rolls-Royce. »Ja und? Was zählt, ist der gute Wille! Und jetzt fahren wir zum Llewellyn-Friedhof hinauf.«
»Aber - wir wissen doch gar nicht, wo der ist!« entfuhr es dem Schwarzen.
Zamorra deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Ben Attow. »Irgendwo zwischen dem Berg und dem Castle«, sagte er.
»Wenn Sie auf direktem Weg hinauffahren, sind Sie tot«, sagte eine Stimme unmittelbar hinter ihm.
***
Sir Bryont starrte wie hypnotisiert aus dem Fenster. Ihm wurde klar, daß Zamorras Befürchtungen gar nicht aus der Luft gegriffen waren. Bryont hatte sich getäuscht; das Verschwinden seiner Träume war kein Zeichen der Ruhe. Patricia war gefahren, ohne sich zu verabschieden; das paßte einfach nicht zu ihr. Es ging nicht um Kontrolle; es war einfach zwischen ihnen so üblich, daß sie sich voneinander verabschiedeten, wenn einer von ihnen das Castle verließ.
Aber diesmal war es nicht geschehen.
Sie hatte den Schutzbereich verlassen, den die Burg ihr bot.
Es drängte Bryont, ihr nachzueilen. Aber er konnte davon ausgehen, daß Zamorra sich um die Angelegenheit kümmern würde, auch wenn er am Telefon recht unwirsch geklungen hatte. Zamorra war sein Freund, gerade jetzt würde er ihn nicht im Stich lassen, ganz gleich, was mit William geschah, um den sich Bryont ebenfalls Sorgen machte.
Zamorra besaß Möglichkeiten wie kaum ein anderer Mensch. Er war hier, und er würde es schaffen. Daher
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