05 - Der Kardinal im Kreml
zugetraut. Gut gemacht, Genosse Major. Nun werden Sie einen ausführlichen Bericht anfertigen müssen. Bitte begleiten Sie den Feldwebel; er wird Sie zu einem Stenographen führen. Außerdem werde ich ein volles Vernehmungsteam zusammenrufen. Das kann ein paar Stunden dauern. Möchten Sie Ihre Frau anrufen?»
«Und der Film?» beharrte Tschurbanow.
«Den bringe ich persönlich ins Labor. Gehen Sie nun bitte mit dem Feldwebel; ich komme in zehn Minuten nach.»
Das Fotolabor befand sich im entgegengesetzten Flügel des Gefängnisses; mit der Entwicklung wurde sofort begonnen. Beim Warten rief der Hauptmann seinen Oberst an. Noch stand nicht fest, was genau das alte Schlachtroß vom Ersten Direktorat da entdeckt hatte, aber um Spionage handelte es sich fast mit Sicherheit, und solchen Fällen maß man höchste Bedeutung zu.
«Fertig.» Der Labortechniker kam zurück. Er hatte den Film entwikkelt und eine Vergrößerung angefertigt. Auch die Filmkassette gab er in einem kleinen braunen Umschlag zurück. «Der Film wurde dem Licht ausgesetzt und wieder aufgespult. Es ist mir gelungen, ein Bild teilweise zu retten. Sieht interessant aus, aber ich habe keine Ahnung, was es sein soll.»
«Und der Rest?»
«Da läßt sich nichts mehr machen.»
Der Techniker redete weiter, der Hauptmann schaute sich den einzelnen Abzug an. Er stellte eine Planzeichnung dar, über der in Blockschrift stand: HELLER STERN KOMPLEX NR.1, und LASER-KONFIGURATION. Der Hauptmann fluchte und verließ im Laufschritt den Raum.
Major Tschurbanow saß mit dem Vernehmungsteam beim Tee, als der Hauptmann zurückkam. Die Atmosphäre war kollegial.
«Genosse Major, Ihre Entdeckung ist von größter Bedeutung», sagte der Hauptmann.
«Ich diene der Sowjetunion», erwiderte der Major gelassen. Die perfekte, weil von der Partei empfohlene Antwort. Vielleicht konnte er den Rang eines Oberstleutnants überspringen und gleich Oberst werden...
«Lassen Sie mal sehen», meinte der Leiter des Vernehmungsteams, ein Oberst, und sah sich den Abzug genau an. «Hm, ist das alles?»
«Der Rest wurde belichtet.»
Der Oberst grunzte. Ein Problem, aber kein schwerwiegendes. Die Zeichnung würde zur Identifizierung der Anlage ausreichen. Der Oberst hielt inne und schaute kurz zum Fenster hinaus. «Das muß so rasch wie möglich nach oben. Was hier dargestellt ist, muß hochgeheim sein. Bitte fahren Sie mit der Besprechung fort; ich habe einige Telefonate zu erledigen. Genosse Hauptmann, lassen Sie die Filmkassette auf Fingerabdrücke untersuchen -»
«Aber Genosse, ich habe sie mit bloßen Händen berührt», sagte Tschurbanow beschämt.
«Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen, Genosse Major. Ihre Wachsamkeit war mehr als vorbildlich», meinte der Oberst. «Bitte trotzdem auf Abdrücke untersuchen.»
«Und der Spion?» fragte der Hauptmann. «Sollen wir ihn verhören?»
«Dazu brauchen wir einen Fachmann. Und ich habe auch schon den richtigen im Sinn.» Der Oberst erhob sich. «Den werde ich auch gleich anrufen.»
Mehrere Augenpaare beobachteten ihn, schätzten ihn ab, sein Gesicht, seine Entschlossenheit, seine Intelligenz. Noch saß der Kurier allein im Vernehmungszimmer. Selbstverständlich hatte man ihm Schnürsenkel, Gürtel, Zigaretten und alles andere abgenommen, das er als Waffe gegen sich selbst richten oder zur Beruhigung nutzen konnte. Ihm fehlte die Möglichkeit, die Zeit zu messen, und der Nikotinmangel machte ihn noch nervöser. Er schaute sich im Zimmer um und sah einen Spiegel. Daß es sich um ein verspiegeltes Fenster zum Nebenzimmer handelte, konnte er nicht wissen. Der Raum war völlig schallisoliert, um ihm selbst das Zeitmaß der Schritte draußen auf dem Flur zu nehmen. Ein paarmal knurrte ihm der Magen, aber ansonsten war er still. Endlich ging die Tür auf.
Der Mann, der eintrat, war um die vierzig und in Zivil gekleidet. Er trug ein paar Bögen in der Hand. Der Mann trat hinter den Tisch und sah den Kurier erst an, als er sich gesetzt hatte -, dann aber distanziert wie ein Zoologe, der ein exotisches Tier mustert. Der Kurier versuchte, diesem Blick standzuhalten, versagte aber. Schon wußte der Vernehmende, daß er hier leichtes Spiel haben würde.
«Sie haben die Wahl», sagte er nach einer weiteren Minute. Seine Stimme klang nicht hart, sondern sachlich. «Sie können es sich leichtoder sehr schwer machen. Sie haben Landesverrat begangen; ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was mit Verrätern geschieht. Wenn Sie am Leben bleiben wollen,
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