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05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beschlagen war. Sein Gesicht, matt hellbraun mit einem leisen Bronzehauch, hatte fast römischen Schnitt, und nur die ein wenig hervorstehenden Backenknochen erinnerten an den Typus der amerikanischen Rasse.
    Eigentlich war die Nähe eines Roten ganz geeignet, den Yankee, welcher überhaupt nicht zum Helden geboren war, mit Angst zu erfüllen. Aber je länger dieser letztere in das Gesicht des Indianers blickte, um so mehr kam es ihm vor, als ob er sich vor diesem Mann nicht zu fürchten brauche. Derselbe hatte sich auf vielleicht zwanzig Schritte genähert. Das Pferd war noch weiter herbeigekommen, während das andre sich hinter dem Reiter hielt. Jetzt – es hob schon den kleinen Vorderhuf, um weiterzuschreiten, da stieg es vorn empor und warf sich mit einem lauten, auffälligen Schnauben zurück; es hatte einen von dem Yankee oder dem Toten kommenden Luftzug gespürt. Der Indianer tat im Nu einen wahren Panthersatz zur Seite und verschwand, mit ihm auch das zweite Pferd. Hartley konnte sie nicht mehr sehen.
    Er verhielt sich lange, lange still und bewegungslos, bis ein halb unterdrückter Laut an sein Ohr drang. „Uff!“ diese Silbe hatte er gehört, und als er das Gesicht nach der betreffenden Seite wendete, sah er den Indianer über der Leiche des Schreibers knien und dieselbe mit Augen und Händen untersuchen. Dann kroch der Rote zurück und war wohl eine Viertelstunde lang nicht zu sehen, bis der Yankee erschrocken zusammenfuhr, denn hart neben ihm erklangen die Worte: „Warum sitzt das Bleichgesicht hier versteckt? Warum tritt es nicht hervor, um sich dem Blick des roten Kriegers zu zeigen? Will es etwa nicht sagen, wohin die drei Mörder des andern Bleichgesichtes entwichen sind?“
    Als Hartley mit dem Kopf herumfuhr, sah er den Indianer, das blanke Bowiemesser in der Hand, neben sich knien. Die Worte desselben bewiesen, daß er die Fährte richtig gelesen und höchst scharfsinnig beurteilt hatte. Er hielt nicht den Yankee für den Mörder; das beruhigte diesen, und er antwortete: „Ich versteckte mich vor ihnen. Zwei sind fort, in die Prärie hinaus; der dritte warf die Leiche hier ab, und ich blieb stecken, weil ich nicht weiß, ob er fort ist oder nicht.“
    „Er ist fort. Seine Spur führt durch den Busch und dann nach Osten.“
    „So ist er nach der Farm, um mich zu verfolgen. Aber ist er auch wirklich nicht mehr da?“
    „Nein. Mein weißer Bruder und ich sind die einzigen Menschen, welche sich hier befinden. Er mag heraus ins Freie kommen und mir erzählen, was geschehen ist.“
    Der Rote sprach sehr gut englisch. Was er sagte und wie er es sagte, flößte dem Yankee Vertrauen ein; darum weigerte sich der letztere nicht, der Aufforderung zu folgen. Er kroch aus dem Dickicht hervor und sah, als er das Gebüsch hinter sich hatte, daß die beiden Pferde eine ziemliche Strecke abwärts angepflockt waren. Der Rote betrachtete den Weißen mit einen Blick, welcher alles zu durchdringen schien, und sagte dann: „Von Süden her sind zwei Männer auf ihren Füßen gekommen; der eine versteckte sich hier, und der bist du; der andre ging weiter, in die Prärie hinaus. Da kamen drei Reiter, welche diesem andern folgten; sie schossen ihm eine Pistolenkugel in den Kopf. Zwei ritten fort. Der dritte nahm die Leiche auf das Pferd, ritt an das Gebüsch, warf sie hinein und jagte dann ostwärts im Galopp von dannen. Ist es so?“
    „Ja, genau so“, nickte Hartley.
    „So magst du mir sagen, warum man deinen weißen Bruder erschossen hat. Wer bist du, und warum befindest du dich in dieser Gegend? Sind es auch die drei Männer gewesen, welche deinen Arm verwundet haben?“
    Der freundliche Ton, in welchem diese Fragen ausgesprochen wurden, bewies dem Yankee, daß der Rote ihm wohlgesinnt sei und keinerlei Verdacht gegen ihn hege. Er beantwortete die ihm vorgelegten Fragen. Der Indianer sah ihn dabei nicht an; dann aber fragte er plötzlich mit einem durchbohrenden Blick: „So hat dein Gefährte dein Leben mit dem seinigen bezahlen müssen?“
    Der Yankee schlug die Augen nieder und antwortete beinahe stockend: „Nein. Ich bat ihn, sich mit mir zu verstecken; aber er wollte nicht.“
    „So hast du ihm gezeigt, daß die Mörder hinter euch her kamen? Und ihm auch gesagt, daß du dich hier verbergen wolltest?“
    „Ja.“
    „Warum hat er da den Mörder, als dieser nach dir fragte, ostwärts nach der Farm gewiesen?“
    „Um ihn zu täuschen.“
    „So hat er dich retten wollen und war ein wackerer Kamerad.

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