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05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu sitzen.
    Nun graute der Osten, doch waren die Linien des Terrains noch nicht zu erkennen, da ein dicker Nebel auf der Erde lag.
    „Das sind die Nebel des Smocky-Hill-Flusses“, erklärte der Häuptling. „Wir werden ihn bald erreichen.“
    Es war ihm anzuhören, daß er hatte weitersprechen wollen, aber er hielt sein Pferd an und lauschte nach links hinüber, von wo taktmäßiger Hufschlag sich näherte. Das mußte von einem galoppierenden Reiter sein. Richtig, da kam er heran und flog vorüber, ventre à terre, blitzschnell wie ein Phantom. Die beiden hatten weder ihn noch sein Pferd gesehen; nur sein dunkler, breitkrempiger Hut, welcher über dem dichten, am Boden hinkriechenden Nebelschwaden hervorragte, war für einen Augenblick sichtbar gewesen. Einige Sekunden später war der Hufschlag schon nicht mehr zu hören.
    „Uff!“ rief Winnetou überrascht. „Ein Bleichgesicht! So, wie dieser Mann ritt, können nur zwei Weiße reiten, nämlich Old Shatterhand; aber dieser befindet sich nicht hier, da ich oben am Silbersee mit ihm zusammentreffen will; der zweite ist Old Firehand. Sollte er sich jetzt in Kansas befinden? Sollte er es gewesen sein?“
    „Old Firehand?“ meinte der Yankee. „Das ist ein hochberühmter Westmann.“
    „Er und Old Shatterhand sind die besten und tapfersten, auch erfahrensten Bleichgesichter, welche Winnetou kennt. Er ist ihr Freund.“
    „Der Mann schien es sehr notwendig zu haben. Wohin mag er wollen?“
    „Nach Sheridan, denn seine Richtung ist die unsrige. Links liegt der Eagle-tail und vor uns befindet sich die Furt, welche über den Fluß führt. Wir werden sie in einigen Minuten erreichen. Und in Sheridan werden wir erfahren, wer dieser Reiter gewesen ist.“
    Die Nebel begannen sich zu zerteilen; sie wurden vom Morgenwind auseinandergetrieben, und bald sahen die beiden den Smocky-Hill-Fluß vor sich liegen. Auch hier bewährte sich die außerordentliche Ortskenntnis des Apachen. Er erreichte das Ufer genau an der Stelle, an welcher sich die Furt befand. Das Wasser reichte den Pferden hier kaum bis an den Leib, so daß der Übergang ein leichter und ganz ungefährlicher war.
    Jenseits angekommen, hatten die Reiter ein Gebüsch, welches sich am Ufer hinzog, zu durchqueren und ritten dann wieder durch offenes Grasland, bis Sheridan, ihr Ziel, sich ihren Augen zeigte.

NEUNTES KAPITEL
    List und Gegenlist
    Sheridan war in der Zeit, in der unsre Erzählung spielt, weder Stadt noch Ort, sondern nichts als eine ambulante Niederlassung der Bahnarbeiter. Es gab da eine Menge von Stein-, Erd- und Blockhütten, höchst primitive Bauwerke, über deren Türen aber zuweilen die stolzesten Inschriften prangten. Man sah da Hotels und Salons, in denen in Deutschland nicht der geringste Handwerker hätte wohnen mögen. Auch gab es einige allerliebste hölzerne Wohnungen, deren Konstruktion eine solche war, daß sie zu jeder Zeit abgebrochen und an einem anderen Ort wieder zusammengesetzt werden konnten. Das größte dieser Gebäude stand auf einer Anhöhe und trug die weithin sichtbare Firma: ‚Charles Charoy, Ingenieur‘. Dorthin ritten die beiden; sie stiegen an der Tür ab, neben welcher ein indianisch gesatteltes und aufgezäumtes Pferd angebunden war.
    „Uff!“ meinte Winnetou, als er dasselbe mit leuchtendem Blick betrachtete. „Dieses Roß ist wert, einen guten Reiter zu tragen. Es gehört gewiß dem Bleichgesicht, welches an uns vorüberkam.“
    Sie stiegen ab und banden ihre Pferde ebenfalls an. Es war kein Mensch in der Nähe, und als sie die Niederlassung überblickten, sahen sie der frühen Stunde wegen nur drei oder vier Personen, welche gähnend nach dem Wetter ausschauten. Aber die Tür stand offen, und sie traten ein. Ein junger Neger kam ihnen entgegen und fragte nach ihrem Begehr. Noch ehe sie zu antworten vermochten, wurde zur Seite eine Tür geöffnet, und unter derselben erschien ein noch junger Weißer, welcher den Apachen mit freundlich erstaunten Augen betrachtete. Es war der Ingenieur. Sein Name, sein bräunlicher Teint und das dunkellockige Haar ließen vermuten, daß er der Abkömmling einer südstaatlichen, ursprünglich französischen Familie sei.
    „Wen sucht ihr hier so früh, Mesch'schurs?“ fragte er, indem er dem Roten eine sehr achtungsvolle Verbeugung machte.
    „Wir suchen den Ingenieur Mr. Charoy“, antwortete dieser in geläufigem Englisch, wobei er sogar den französischen Namen ganz richtig aussprach.
    „Well, der bin ich. Habt die Güte,

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