0322 - Leonardos Höllenwurm
Der offene Sportwagen, der von Milano kam, verließ bei Peschiera die Autostrada, um die letzten Kilometer entlang der Uferstraße des Lago di Garda zu fahren. Nicole Duval hatte das Maserati-Cabrio am Flughafen von Milano gemietet, und jetzt waren sie unterwegs zur Hedgeson-Villa zwischen Peschiera und Bardolino. Zamorra hatte sich auf dem Beifahrersitz langgestreckt und genoß den Anblick der Landschaft und den kühlenden Fahrtwind. Es war warm, fast schon heiß, und die große Fläche des Gardasees brachte kaum Kühlung.
Zamorra dachte an das zurückliegende Abenteuer.
Die Vergangenheit der Erdgeschichte… die Ära der Saurier… und schon damals hatte die DYNASTIE DER EWIGEN die Fäden gezogen, diese geheimnisvolle und undurchschaubare Supermacht im Hintergrund. Zamorra und seine Gefährten waren in der Vergangenheit gewesen. Es war nicht ohne Blessuren abgegangen; Zamorra hatte eine Schwertwunde am linken Arm davongetragen, und Pater Aurelian wurde vom Fieber niedergeworfen. Die Wunde und das Fieber verheilten, aber Michael Ullich und Tina Berner waren in der Vergangenheit gefangen zurückgeblieben, als' Zamorra Aurelian in die Gegenwart zurückbrachte, um in einem Pariser Krankenhaus das Fieber behandeln zu lassen.
Die Gefangennahme war weniger schlimm, als es zunächst aussah. Zamorra konnte mit dem Vergangenheitsring jederzeit wieder zurück, und zwar so, daß für die Zurückgebliebenen keine einzige Sekunde verstrich. Theoretisch konnte er sogar noch früher zurückkehren, aber er scheute vor dem Risiko zurück, sich möglicherweise selbst zu begegnen. Er wollte nach Möglichkeit kein Zeitparadoxon hervorrufen.
Und weil die Zeit eben keine Rolle spielte, im Gegenteil ein längerer Zwischenaufenthalt in der Gegenwart die Wunden noch besser verheilen und Zamorra topfit zurückkehren lassen würde, um die Freunde zu befreien, hatte er nach kurzem Zögern zugestimmt, als Nicole ihm von der Einladung erzählte.
Nicole war während Zamorras Zeitreise in der Gegenwart im Château Montagne zurückgeblieben, um sich wieder mal ihrer eigentlichen Tätigkeit als Sekretärin zu widmen. Derweil hatte sich April Hedgeson gemeldet, Nicoles Studienfreundin aus alten Zeiten, und hatte zur Geburtstagsfeier eingeladen. Nicole hatte unter Vorbehalt zugesagt und dann noch vom Pariser Krankenhaus aus bestätigt.
Jetzt waren sie unterwegs.
Mit dem Flugzeug von Paris bis nach Milano, wo sie ausstiegen. Der Abschied von Pater Aurelian war kurz, aber herzlich gewesen. Aurelian flog nach Rom weiter, wo er benötigt wurde. Er hatte Zamorra seinen Zeitring gegeben, damit dieser nach Belieben aktiv werden konnte. Aurelian hegte nicht die Absicht, selbst noch einmal in die Vergangenheit zu gehen. Er hatte, wie er es ausdrückte, die Nase gestrichen voll.
Mit dem Mietwagen jagten Zamorra und Nicole weiter, zum Gardasee, wo April Hedgeson lebte. Ihr Vater, der alte Sir James Hedgeson, der längst verstorben war, hatte sich aus dem kalten, nassen England ins sonnige Norditalien abgesetzt und dort am Gardasee auf einem riesigen, abwechslungsreichen Grundstück direkt am Strand eine große, weiße Villa errichtet, zweigeschossig und mit gewaltigem Grundriß, aber verschachtelt und verschnörkelt wie ein Märchenschloß. Blumen, Büsche, Ranken, Sträucher, Bäume und riesige Rasenflächen umgaben das Haus und den geräumigen Swimming-pool, und nach ein paar Dutzend Matern war man am See selbst. Die Straße führte auf der anderen Seite vorbei, und Hecken und Zäune sorgten dafür, daß das riesige Grundstück vor neugierigen Blicken abgeschirmt war.
Seit einiger Zeit wohnte die Millionärstochter und Konzernerbin dort praktisch allein, mit wenig Personal und dem Butler Morris Dennessey, seit ewigen Zeiten »James« genannt. Soweit Zamorra sich erinnerte, besaß April Hedgeson keinen festen Freund, sie wechselte ihre lockeren Partnerschaften häufig und war überhaupt meistens die einsame Wölfin. Eine lose Freundschaft verband sie mit einem anderen Millionär, dem Schweden Bjern Grym, der sein Anwesen drüben auf der anderen Seite des Gardasees in Saló hatte. Grym war Bootskonstrukteur und besaß eine hypermoderne Yacht, die alles Dagewesene in den Schatten stellte und wahrscheinlich in zehn Jahren noch der Technik um Jahre voraus sein würde; zuweilen verlieh er das namenlose Superboot an April. Zamorra hatte Bjern Grym damals kennengelernt, als sie mit dem Seelenhändler John Shaker zu tun hatten. [1] Grym sollte angeblich
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