05 - Der Schatz im Silbersee
habe!“
„Und ich!“ rief der Schichtmeister.
„Und wir andern Rafters auch!“ ertönte es von mehreren Seiten.
„Erregt euch nicht, denn wir haben ihn noch nicht!“ antwortete Droll.
„Wir haben ihn!“ behauptete Blenter.
„Er ist jedenfalls der Allererste, welcher den Zug besteigt.“
„Mag sein; aber ich esse keine Büffellende, wenn ich nicht vorher den Büffel geschossen habe. Übrigens ist es mir ganz egal, wer ihn bekommt. Es ist gar nicht notwendig, daß ich ihn geschleppt bringe. Bringe ich den Nachweis seines Todes und daß ich zu demselben beigetragen habe, so ist mir die Prämie so sicher wie mein Sleeping gowe. Für jetzt habe ich genug gesprochen und werde ein wenig schlafen. Weckt mich, wenn die Zeit gekommen ist!“
Er stand auf, um sich ein abgelegenes, dunkles Plätzchen zu suchen. Die andern aber dachten nicht an Schlaf. Das Gehörte beschäftigte sie noch lange Zeit, und dann gab der zu erwartende Zusammenstoß mit den Tramps ein Thema, welches gar nicht ausführlich genug besprochen werden konnte.
Winnetou nahm nicht teil an dieser Unterhaltung. Er hatte sich an den Felsen gelehnt und schloß die Augen; aber er schlief keineswegs, denn zuweilen hoben sich die Lider, und dann schoß ein scharfer, forschender Blick wie ein Blitz unter denselben hervor. –
Es war um Mitternacht, als die zwanzig Arbeiter zu dem Ingenieur kamen, um das Haus desselben zu umstellen. Old Firehand begab sich zu Hartley. Dieser lag schlafend im Bett, aber neben demselben saß Charoys Neger mit dem Revolver in der Hand. Er hatte an Stelle des Verwundeten, welcher des Schlafes bedurfte, die Bewachung der beiden Tramps übernommen, und Old Firehand sah, daß er in dieser Beziehung keine Sorge zu haben brauchte. Er kehrte also befriedigt zu dem Ingenieur zurück und sagte diesem, daß er nun aufbrechen werde, um dem Zug entgegen zu gehen.
„So ist also die gefährliche Stunde gekommen“, meinte Charoy. „Habt Ihr denn gar keine Angst, Sir?“
„Angst?“ fragte der Jäger erstaunt. „Hätte ich diese Angelegenheit freiwillig übernommen, wenn ich Angst hätte?“
„Oder wenigstens Sorge?“
„Ich habe nur die eine Sorge, daß mir der Cornel entgeht.“
„Aber es ist möglich, sogar wahrscheinlich, daß man auf Euch schießen wird!“
„Noch wahrscheinlicher ist es, daß man mich nicht treffen wird. Bekümmert Euch nicht um mich, und haltet vielmehr während meiner Abwesenheit hier gute Ordnung. Es ist immerhin möglich, daß der Cornel einige Leute hierher schickt, welche aufpassen sollen, ob alles regelrecht verläuft. In diesem Fall würde er mit ihnen ein gewisses Warnungszeichen verabreden. Verhaltet Euch also ganz so, wie gewöhnlich.“
Nun rief er die zwei Arbeiter herbei, welche sich an der Stelle der beiden Tramps auf die Lokomotive stellen sollten, und begab sich mit ihnen so, daß etwaige Späher es nicht bemerken konnten, auf die Strecke. Diese Arbeiter waren auf Fürsorge des Ingenieurs hin auch ziemlich wie die Tramps gekleidet.
Es war vollständig dunkel; aber die Arbeiter kannten die Strecke und nahmen den Jäger in ihre Mitte. Während sie so in der Richtung nach Carlyle fortschritten, schärfte er ihnen nochmals ein, wie sie sich in jedem einzelnen möglichen Fall zu verhalten hätten. Sie erreichten den Ort, welcher telegraphisch bestimmt worden war, und setzten sich da im Gras nieder, um die Ankunft des Zuges zu erwarten. Es war noch nicht ganz drei Uhr, als er kam und bei ihnen halten blieb. Er bestand aus der Maschine und sechs großen Personenwagen. Old Firehand stieg ein und durchwanderte dieselben. Sie waren leer. In dem vordersten stand ein mit Steinen gefüllter, verschlossener Koffer. Ein Konduktor war nicht vorhanden; es gab nur zwei Personen, den Maschinisten und den Heizer. Als Old Firehand die Wagen verlassen hatte, trat er zu diesen beiden und gab ihnen ihre Instruktion. Er hatte noch nicht ausgesprochen, so sagte der Heizer: „Sir, wartet einen Augenblick! Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, Eure Befehle vollends auszusprechen. Ich habe keine Lust, dieselben zu befolgen.“
„So? Warum?“
„Ich bin Heizer und habe den Kessel zu feuern; dafür werde ich bezahlt; aber mich erschießen zu lassen, dazu bin ich nicht angestellt.“
„Wer spricht denn von Erschießen?“
„Ihr freilich nicht, desto mehr aber ich.“
„Kein Mensch wird schießen.“
„Gut, dann stechen oder schlagen sie, und das ist ganz dasselbe. Es bleibt sich gleich, ob ich
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