05 - Der Schatz im Silbersee
hatten, nach der Brücke zurück. Die Tramps hatten ihren Weg nach dem Busch-Creek genommen, ein fast sicheres Zeichen, daß sie die Absicht hegten, sich nach Colorado und von dort aus jedenfalls nach dem Silbersee zu wenden.
Indessen waren die vier Rafters aus Sheridan zurückgekehrt. Sie hatten auch Hartley und den Ingenieur Charoy mitgebracht, welche mit nach Fort Wallace wollten, wo ihre Aussage von Wichtigkeit war. Die Arbeiter begaben sich zu Fuß nach Sheridan; sie nahmen als Belohnung die Waffen mit, welche den Tramps abgenommen worden waren. Zum Transport der letzteren waren mehr als genug Wagen vorhanden. Der Bauzug stand auch da und ebenso der ‚Geldzug‘, welcher freilich kein Geld enthalten hatte. Nachdem die Gefangenen aufgeladen worden waren, stiegen die andern ein und die beiden Züge setzten sich in Bewegung. Die Dragoner aber kehrten zu Pferd nach Fort Wallace zurück.
Dort hatte sich das Ereignis indessen herumgesprochen und die Bevölkerung war außerordentlich gespannt, zu erfahren, welchen Verlauf dasselbe genommen habe. Als die Züge ankamen, drängte sich alles herbei, und die Tramps wurden auf eine Weise empfangen, welche ihnen einen Vorgeschmack dessen gab, was sie hier später, nach ihrer Verurteilung, zu erwarten hatten. Wären es nicht ihrer so viele gewesen, und hätte ihre Eskorte es nicht zu verhüten gewußt, so wären sie gewiß gelyncht worden.
Sie hatten übrigens große Verluste erlitten, da fast der vierte Teil ihrer Anzahl tot im Tunnel aufgefunden worden war. Noch heute erzählt man sich in jener Gegend von dieser berühmten Ausräucherung der Tramps im Tunnel des Eagle-tail, wobei natürlich die Namen von Old Firehand und Winnetou genannt werden.
ELFTES KAPITEL
In der Klemme
Da, wo jenseits des Cumison River sich die Elk Mountains erheben, ritten vier Männer über ein Hochplateau, welches mit kurzem Gras bewachsen war und, so weit das Auge reichte, weder Sträucher noch Bäume zeigte. Obgleich man im Fernen Westen daran gewöhnt ist, außergewöhnliche Gestalten zu sehen, so hätten diese vier Reiter einem jeden, der ihnen begegnet wäre, auffallen müssen.
Der eine von ihnen, dem man es sofort ansah, daß er der vornehmste sei, ritt einen prachtvollen Rapphengst von der Art, welche man bei gewissen Apachenstämmen züchtet. Seine Gestalt war nicht zu hoch und breit, und dennoch machte sie den Eindruck großer Kraft und Ausdauerfähigkeit. Sein sonnverbranntes Gesicht wurde von einem dunkelblonden Vollbart umrahmt. Er trug lederne Leggins, ein Jagdhemd aus demselben Stoff und lange Stiefel, welche er bis über das Knie heraufgezogen hatte. Auf seinem Kopf saß ein breitkrempiger Filzhut, in dessen Schnur rundum die Ohrenspitzen des Grizzlybären steckten. Der breite, aus einzelnen Lederriemen geflochtene Gürtel schien mit Patronen gefüllt zu sein und enthielt außerdem zwei Revolver und ein Bowiemesser. Ferner hingen an demselben zwei Paar Schraubenhufeisen und vier fast kreisrunde, dicke Schilf- und Strohgeflechte, welche mit Riemen und Schnallen versehen waren. Jedenfalls waren diese bestimmt, dem Pferd an die Hufe geschnallt zu werden, falls es galt, einen Verfolger irrezuführen. Von der linken Schulter nach der rechten Hüfte hing ein zusammengeschlungener Lasso und um den Hals an einer festen Seidenschnur eine mit Kolibribälgen verzierte Friedenspfeife. In der Rechten hielt er ein kurzläufiges Gewehr, dessen Schloß von einer höchst eigenartigen Konstruktion zu sein schien, und auf dem Rücken trug er an einem breiten Riemen ein sehr langes und sehr starkes Doppelgewehr von der jetzt äußerst seltenen Art, welche man früher Bärentöter nannte und aus deren Läufen man nur Kugeln allergrößten Kalibers schoß. Dieser Mann war Old Shatterhand, der berühmte Jäger, welcher diesen Beinamen dem Umstand verdankte, daß er einen Feind mit einem bloßen Hieb seiner Faust zu erlegen vermochte.
Neben ihm ritt ein kleines, schmächtiges und bartloses Kerlchen in einem blauen, langschößigen Frack mit gelben, sehr blank geputzten Knöpfen. Auf seinem Kopf saß ein großer Damen-, sogenannter Amazonenhut, auf welchem sich eine riesige Feder bewegte. Die Hosen waren ihm zu kurz, und die nackten Füße steckten in alten, derben Lederschuhen, an denen große, mexikanische Sporen befestigt waren. Dieser Reiter hatte ein ganzes Arsenal von allerlei Waffen an und um sich hängen; aber wer ihm in das gutmütige Gesichtchen blickte, der mußte die Meinung hegen, daß
Weitere Kostenlose Bücher