05 - Der Schatz im Silbersee
von den Navajos, sondern von den beiden Bären und ihrem Silbersee, auf dessen Grund ungeheure Reichtümer aufbewahrt liegen, Gold, Silber und edle Steine in großer Menge.“
„Wer hat dir das weisgemacht?“
„Niemand. Ich habe es von den beiden selbst gehört. Ich lag des Abends im Dunkel unter den Bäumen. Sie kamen und blieben ganz in meiner Nähe stehen, ohne zu wissen, daß ich mich dort befand. Da sprachen sie von diesen ungeheuren Schätzen.“
„Wie sind dieselben in den See gekommen?“
„Ein Volk, welches vor langer Zeit hier wohnte und unterjocht wurde, hat sie dort aufbewahrt.“
„So sind sie wohl längst verdorben. Und wie könnte man sie heraufbekommen, wenn sie auf dem Grund des Sees liegen? Man müßte ihn ausschöpfen.“
„Nein. Da, wo jetzt der See ist, hat früher ein trockenes Tal gelegen. Jenes Volk hat einen Turm gebaut, dessen Spitze jetzt die Insel ist. Von diesem Turm aus wurde ein fester hohler Gang gebaut, welcher über das Tal hinlief und da endete, wo jetzt der Cañon beginnt. Dann errichtete man einen starken, breiten Damm, damit das Wasser nicht mehr nach Norden ablaufen könne. Das Tal füllte sich mit Wasser und wurde zum See, aus welchem nun die Spitze des Turmes als Insel ragt. Als er voll war, lief sein Wasser nach Süden ab. Das Ende des Ganges aber wurde durch Steine verdeckt.“
„Das alles soll wahr sein?“
„Vollständig wahr. Ich habe mich überzeugt, die Steine heimlich entfernt und den Gang gefunden. Da, wo er beginnt, liegen Fackeln, welche notwendig sind, um den Gang zu erleuchten. Dieser führt auf dem Grund des Sees hin nach der Insel, dem Turm, in dessen unterstem Stockwerk die Schätze liegen. Dieser Gang ist zugleich da, um das Wasser abzulassen und etwaige Feinde zu verderben, welche sich im Cañon befinden. Man öffnet eine Stelle des Ganges; das Wasser dringt ein und ergießt sich in den Cañon, und alles, was in demselben ist, muß ersaufen.“
„Uff! Das wäre etwas für uns. Wenn wir die Bleichgesichter ersaufen lassen könnten!“
„Das darf ich nicht zugeben, weil meine Timbabatschen mit ertrinken würden.“
„Das ist wahr. Aber wenn alles sich wirklich so verhält, wie du sagst, so sind die Weißen ohnedies verloren. Es wird sich finden, ob du es aufrichtig meinst. Willst du uns jetzt nach dem See führen?“
„Ja, ich bin sehr gern bereit dazu. Aber welchen Teil der Reichtümer werde ich bekommen?“
„Das werde ich bestimmen, sobald ich mich überzeugt habe, daß du mir die Wahrheit gesagt hast. Ich werde dich jetzt losbinden und dir ein Pferd geben lassen. Aber beim geringsten Versuch zur Flucht bist du verloren.“
Der Häuptling gab seine Befehle mit leiser Stimme. Bald saßen alle Utahs im Sattel und ritten den Cañon zurück, erst natürlich mit der größten Vorsicht, um kein Geräusch zu verursachen. Sie erreichten die Stelle, an welcher die Weißen aus dem Cañon nach dem Felsenkessel abgebogen waren, und folgten derselben Richtung.
Der Ritt war jetzt, des Nachts, noch viel beschwerlicher als am Tag; aber die Roten hatten wahre Katzenaugen, und auch ihre Pferde fanden sich leicht zurecht. Es ging die schiefe Ebene hinauf, drüben in den Kessel hinab und dann in die Felsenenge hinein, genau auf demselben Weg, den die Weißen geritten waren. Die letzte Hälfte des Rittes wurde dadurch erleichtert, daß der Mond aufgegangen war. Der Weg lag nicht tief und wurde ziemlich hell beschienen.
Genau nach der Schätzung des ‚Langen Ohres‘ waren drei Stunden vergangen, als die Utahs da ankamen, wo die Bäume begannen. Sie hielten an und schickten einige Kundschafter vor, welcher erforschen sollten, ob man weiterkönne. Sie hatten sich ungefähr fünf Minuten entfernt, als ein Schuß und gleich darauf noch einer fiel. Nach kurzer Zeit kehrten sie zurück, indem sie einen von ihnen getragen brachten. Er war tot.
„Die Bleichgesichter sind nicht mehr im Cañon“, wurde gemeldet. „Sie stecken am Eingang zum See und haben auf uns geschossen. Unserem Bruder ist die Kugel in das Herz gedrungen. Er war so unvorsichtig, sich im Mondschein aufzurichten.“
Diese Nachricht rief das Mißtrauen des ‚Alten Donners‘ wach. Er glaubte, von dem ‚Langen Ohr‘ betrogen worden zu sein; er dachte, dieser stehe mit den Weißen im Bund und habe von ihnen den Auftrag erhalten, sich absichtlich ergreifen zu lassen, um ihnen die Utahs vor die Gewehre zu liefern. Dem ‚Langen Ohr‘ gelang es aber, dieses Mißtrauen zu zerstreuen. Er
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