1320 - Wolfsmond
Glenda, die auf der Bank gelegen hatte, setzte sich hin. Hitze und Kälte wechselten sich bei ihr noch immer ab. Die anderen Frauen hatten die Sauna verlassen. Sie befand sich allein in dem Raum und fühlte sich schon verlassen. Hinzu kam das Unwohlsein. Nicht körperlich. Ihr war nicht übel, aber es ging ihr auch nicht so gut wie sonst.
Die Schwaden waren dünner geworden. Niemand sorgte mehr für Aufgüsse. Ein leichter Geruch von Kräutern und Menthol schwebte im Raum. Ihr Blick streifte über die leeren Bänke hinweg, auf denen nicht mal mehr die großen Tücher lagen.
Sie besaß noch ihr Tuch. Es lag unter ihrem Körper und diente als Unterlage. Sie raffte es an den Seiten hoch und zog es bis über die Schulter, auf deren Haut ein leichter Schauer lag.
Dann schaute sie auf die Tür, deren obere Hälfte einen Glaseinsatz hatte. Was dahinter lag, erkannte sie nicht, denn das Glas war innen stark beschlagen.
Glenda saß auf der oberen Bank. Ihre Beine baumelten nach unten. Sie musste sich selbst gegenüber zugeben, dass sie sich noch etwas benommen fühlte. Hier war nicht alles so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Es ging nicht allein um das Einschlafen, hinzu kam noch, dass die anderen Frauen den Raum so klammheimlich verlassen hatten, ohne die Schlafende zu wecken. Das empfand sie schon als sonderbar. So etwas tat man eigentlich nicht.
Zudem missfiel ihr die Stille. Die gehörte zwar dazu, aber in ihrer Lage kam sie ihr als beklemmend vor. Sie war einfach nicht mehr normal. Als hätten die anderen Frauen etwas zurückgelassen und seien selbst verschwunden, um etwas zu unternehmen, was Glenda nichts anging.
Sie lächelte über ihre Gedanken. Es war Unsinn, wenn sie an so etwas dachte. Immer wieder dieses Misstrauen. Das kam davon, wenn man beim Yard arbeitete. Da sah man die Dinge mit anderen Augen und versuchte immer wieder, etwas dahinter zu erkennen.
Die Wärme machte ihr auch zu schaffen. Sie umkreiste Glenda.
Sie sorgte für einen erneuten Schweißausbruch. Allerdings konnte der auch mit ihren Gefühlen zusammenhängen, die sie nicht eben als positiv empfand.
Sie sprang nach unten. Auf dem Boden standen ihre Saunaschlappen, in die Glenda die Füße steckte. Das Badetuch war bei der Bewegung verrutscht. Sie zog es enger um ihren Körper und knotete es so gut wie möglich über den Brüsten zusammen.
Besser fühlte sie sich trotzdem nicht. Nach wie vor erlebte sie eine gewisse Hilflosigkeit und auch ein Verlassensein, das sie quälte. Glenda fühlte sich von den Frauen im Stich gelassen. Sie kannten sich, denn es war nicht ihr erster Besuch in der Sauna. Zwar waren sie keine Freundinnen, mehr eine Interessengemeinschaft, und sie trafen sich auch nicht an anderen Orten, in einem Café oder einer Kneipe, aber als Saunaclub hielten sie schon zusammen. Hin und wieder wurden Dinge offenbart, die sich um das Verhältnis zu den Männern drehten. Da war ein solch geschlossener Raum ideal geeignet, denn nichts drang nach draußen.
Glenda kannte die Namen der Frauen. Zumindest die Vornamen.
Von der einen oder anderen auch den Beruf, und die Nachnamen waren eigentlich uninteressant. So wussten auch die anderen Frauen nicht, wo sie ihre Brötchen verdiente.
Das hier war eine lockere Gemeinschaft. Und es gab auch keine Stutenbissigkeit zwischen ihnen.
Auf kleinstem Raum musste man sich eben zusammenreißen.
Außerdem war die Zeit des Zusammenseins immer begrenzt. Man konnte sich aufeinander verlassen.
Und jetzt das!
Dieses plötzliche Verlassen der Sauna. Ohne die Letzte zu wecken und ihr Bescheid zu geben. Das fand Glenda nicht gut. Darüber konnte sie nicht lachen. Sie ging davon aus, dass es einen triftigen Grund dafür gegeben haben musste, dass alle auf einmal gegangen waren.
Glenda war nicht sonderlich erschreckt. Eine gewisse Unruhe blieb aber schon zurück. Die wich auch nicht, als sie sich der Tür näherte, denn sie wollte so schnell wie möglich raus.
Sie lauschte dem Klatschen ihrer Schlappen nach, als sie auf die Tür mit dem Glaseinsatz zuging, und sie nahm sich vor, den anderen Frauen Fragen zu stellen, denn so ging das nicht. Danach trafen sie meist in der Kantine zusammen, um Flüssigkeit aufzunehmen, die sie bei den Saunagängen verloren hatten. »Kantine« wurde das kleine Bistro nur von ihnen genannt. Irgendjemand hatte den Namen mal aufgebracht, und dabei war es dann geblieben.
Vor der Tür blieb sie stehen.
Glenda umfasste den feuchten Drehknauf, wollte die Tür öffnen
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