05 - Der Schatz im Silbersee
sage die Wahrheit. Als wir des Abends im Tal der Hirsche bei euch waren, haben wir die drei Häuptlinge gefangengenommen.“
„Ohne daß ihre Krieger es merkten?“
„Niemand konnte es sehen oder hören. Wir haben sie niedergeschlagen, ohne daß sie ein Wort zu sprechen vermochten. Nennt man mich nicht Old Shatterhand?“
„Es ist nicht wahr. Man hätte euch sehen müssen.“
„Es gibt im Tal der Hirsche ein Versteck, welches wir kennen, aber nicht ihr. Ich will dir beweisen, daß ich die Wahrheit spreche. Was ist das?“
Er zog einen schmalen Riemen aus der Tasche, welcher mit walzenförmig geschnittenen Knöpfen aus der Schale der Venusmuschel besetzt war, und hielt ihm denselben vor das Gesicht.
„Uff!“ rief der ‚Alte Donner‘ erschrocken. „Der Wampum der ‚Gelben Sonne‘! Ich kenne ihn genau.“
„Und dieser hier?“
Er brachte einen zweiten Riemen hervor.
„Der Wampum des Häuptlings ‚Vier Büffel‘! Auch den kenne ich.“
„Und dieser dritte Wampum?“
Als er auch noch einen dritten Riemen zeigte, wollte dem Alten das Wort im Mund stocken. Er machte eine Bewegung des Entsetzens und stieß in abgerissenen Sätzen hervor: „Kein Krieger gibt sein Wampum her; er ist ihm heilig über alles. Wer den Wampum eines andern besitzt, hat denselben getötet oder gefangen genommen. Leben die drei Häuptlinge noch?“
„Ja.“
„Wo sind sie?“
„In unsrer Gewalt, gut aufgehoben.“
„Am Silbersee?“
„Du fragst zu viel. Bedenke, wer sich außer ihnen noch bei uns befindet! Es sind lauter Häuptlinge und tapfere Krieger, welche später ganz gewiß Häuptlinge werden.“
„Was wollt ihr mit ihnen tun?“
„Leben gegen Leben. Blut gegen Blut! Macht Frieden mit den Navajos und Timbabatschen, so geben wir die Gefangenen heraus!“
„Auch wir haben Gefangene gemacht. Tauschen wir sie um, Mann für Mann.“
„Hältst du mich für einen Knaben, daß du meinst, ich wisse nicht, daß man einen Häuptling für wenigstens dreißig Krieger austauscht? Überlege dir meinen Vorschlag, und denke, daß es besser ist, die Freiheit dieser Anführer zu erhalten, als noch hundert oder zweihundert Feinde umzubringen.“
„Und die Beute rechnest du nicht?“
„Beute? Pshaw! Von Beute ist keine Rede, denn ihr werdet keine machen, weil ihr nicht wieder siegen werdet. Jetzt stehen wir euch gegenüber, fünfzig weiße Jäger. Wir sind die Gefangenen der Utahs gewesen und haben ihrer doch gelacht; sie mußten uns gehenlassen und uns sogar ihre Häuptlinge mitgeben. Das taten wir, als wir gefesselt und in Banden lagen. Was werden wir vermögen, wenn wir frei und ungehindert sind! Ich sage dir, wenn du nicht deinen Frieden mit uns machst, so werden die wenigsten von euch ihre heimatlichen Wigwams wiedersehen!“
Man sah es dem ‚Alten Donner‘ an, daß diese Vorstellung nicht verfehlte, Eindruck auf ihn zu machen. Er blickte finster zur Erde nieder. Old Shatterhand fuhr fort, um die Wirkung seiner Worte zu erhöhen: „Eure Häuptlinge trachteten uns nach dem Leben; sie gerieten in unsre Hände und wir hatten nicht nur das Recht, sondern sogar, um sie unschädlich zu machen, die Pflicht, sie zu töten. Wir haben es nicht getan, weil wir es gut mit ihnen und euch meinen. Wenn wir euch jetzt zum Frieden raten, so ist das ebenso gut mit euch gemeint, denn wir wissen genau, daß wir euch schlagen werden. Entschließe dich, ehe es zu spät ist.“
Da stand Old Firehand auf, reckte und streckte gelangweilt seine gigantische Gestalt und sagte: „Pshaw! Wozu die Worte, wenn wir Waffen haben! Der ‚Alte Donner‘ mag uns schnell sagen, ob er Krieg oder Frieden will. Dann wissen wir, woran wir sind, und werden ihm geben, was ihm gehört: Leben oder Tod!“
Das wirkte schnell, wenigstens kam sofort eine Antwort: „So schnell können wir uns nicht entscheiden.“
„Warum nicht? Seid ihr Männer oder Squaws?“
„Wir sind keine Weiber, sondern Krieger. Aber wir müssen erst mit unsern Leuten reden.“
„Wenn ihr wirklich Häuptlinge seid, so ist das gar nicht nötig. Ich sehe, ihr wollt Zeit gewinnen, um euch irgendeine Hinterlist auszusinnen, wie das so eure Gepflogenheit ist: aber keine Klugheit wird euch gegen unsre Fäuste helfen.“
„Old Firehand mag ruhig sprechen, wie wir ihm ruhig antworten. Dem Mann ziemt nicht, wallendes Blut zu haben. Wir werden gehen und überlegen, was zu tun sein wird.“
„So bedenkt, daß es in einer halben Stunde Nacht sein wird!“
„Wir können euch auch
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