05 - komplett
einmal“, meinte Mr Briggate nachsichtig.
„Nicht nur kleine Jungen“, warf Mrs Cromer ein und zwinkerte Eloise, die neben ihr auf dem Sofa saß, lächelnd zu. „Meine liebe Cousine hier war ein richtiger kleiner Wildfang.“
„Meg, bitte! Du bringst mich in Verlegenheit“, protestierte Eloise lachend.
„Nein, fahren Sie doch fort, Mrs Cromer“, bat Sir Ronald sie. „Wir möchten alles über Lady Allyngham erfahren.“
„Sie und mein Cousin wuchsen gemeinsam auf“, erklärte Margaret. „Anthony behandelte sie eher wie einen Jungen als ein Mädchen. Wann immer ich zu Besuch kam, waren sie unterwegs und kletterten auf Bäume oder stellten irgendeinen Schabernack an.“ Sie blickte zu Alex hinüber. „Und dieser junge Mann war meistens mit dabei. Sie waren unzertrennlich, bis die Jungen zur Schule geschickt wurden und Eloise nach Bath, wo sie lernte, eine Dame zu werden. Als du allerdings von dort zurückkamst, warst du so ausgelassen und wild wie eh und je.“ Margaret lachte. „Ich weiß nicht mehr, wie oft ich bei meinen Besuchen feststellen musste, dass Eloise in Ungnade gefallen und auf ihr Zimmer verbannt worden war!“
„Ich muss Lady Allyngham wirklich in Schutz nehmen“, warf Alex ein. „Sie war uns so treu ergeben, dass sie oft die Schuld für unsere Streiche auf sich nahm.“ Er lächelte Eloise liebevoll zu. „Von uns dreien war sie die Vernünftigste. Die meiste Zeit war sie damit beschäftigt, Tony und mich vor den Folgen unserer haarsträubenden Streiche zu retten.“
Die anderen lachten. Man ging zu anderen Themen über, während die Teetassen frisch gefüllt wurden. Jack fragte sich, ob außer ihm niemandem aufgefallen war, mit welcher Zärtlichkeit Alex’ Blick auf Eloise geruht hatte. Er sah sich unauffällig um. Die meisten Gäste plauderten miteinander, nur Sir Ronald schwieg und starrte Eloise eindringlich an, den Arm lässig über den Rücken seines Sessels gelegt, ein durchtriebenes Lächeln auf den Lippen. Jack runzelte die Stirn. Dieses Lächeln gefiel ihm nicht. Der Mann war gefährlich, und falls Lady Allyngham ihn auf irgendeine Weise gekränkt hatte, vielleicht seine Annäherungsversuche abgewiesen ...
Insgeheim nahm er sich vor, ein wachsames Auge auf Deforge zu haben.
Es war weit nach Mitternacht, als Eloise leicht zitternd an der Pforte zum Rosengarten stand, obwohl sie in einen Umhang gehüllt und die Nacht mild war.
Insgeheim schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel. Hoffentlich hatte ihre Zofe Alice die Nachricht weitergeben können. Eine plötzliche Bewegung zu ihrer Linken ließ sie zusammenfahren. Jemand näherte sich ihr. Erleichtert stieß sie den Atem aus, als sie Alex’ vertraute Gestalt erkannte.
„Was ist, Elle?“, flüsterte er. „Was hat das zu bedeuten?“
„Er hat wieder geschrieben.“ Sie hielt einen Brief hoch. „Es ist zu dunkel, du kannst ihn nicht lesen. Der Erpresser will, dass ich ihn heute treffe. Im Tempel der Diana.“
„Ach, in der Tat? Will er das?“, sagte Alex grimmig. „Zum Teufel mit dem Kerl! Ich gehe zurück und hole meine Pistole.“
Sie packte ihn am Arm. „Nein, keine Gewalt! Ich möchte nur, dass du mit mir kommst, Alex, und dich im Wäldchen versteckst. Ich soll zwar allein kommen ...“
„Auf keinen Fall! Selbstverständlich komme ich mit dir, Elle.“
„Dann lass uns jetzt gehen. Sehr wahrscheinlich wird er nach mir Ausschau halten, also müssen wir uns trennen. Nimm du den Pfad durch den Wald, ich nehme den Weg am See entlang.“
„Das kann gefährlich werden.“ Alex hielt sie zurück. „Du bist nicht gezwungen, das zu tun, Elle.“
„Doch“, antwortete sie leise. „Du weißt, dass wir nicht sicher sind, bevor das Tagebuch wieder in meinen Händen und vernichtet ist.“
„Es gibt auch einen anderen Weg.“
„Das Land verlassen, meinst du? Tonys Name wäre dennoch ruiniert, und das lasse ich nicht zu.“ Sie drückte seine Hand. „Warte im Wald auf mich, aber sei bereit dazuzustoßen, wenn ich dich rufe.“
Sie eilten durch den Rosengarten und trennten sich am Rande des Wäldchens. Eloise war allein und wurde einen Moment von Panik ergriffen. Dann riss sie sich zusammen und ging weiter. Dunkle Wolken schoben sich vor den Mond. Die Bäume schienen im sanften Windhauch zu seufzen. Ein eiskalter Schauder lief Eloise über den Rücken. Da kam der Tempel in Sicht. Er leuchtete milchweiß im schwachen Mondlicht. Um sich Mut zu machen, atmete Eloise tief durch, stieg die Stufen empor und trat
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