05 - komplett
seinen Teller häufte.
Lucy sah von der Zeitung auf, die sie las. „Sie hat noch einige Besorgungen für die Dinnerparty zu erledigen.“
Wissend lächelnd setzte sich Charles seiner Schwester gegenüber. „Ah, sind denn alle Heiratskandidaten eingeladen, Lu?“
Sie erwiderte sein Lächeln strahlend. Wenn er wüsste, dass man nicht nur Heiratskandidaten für sie eingeladen hatte. „Das könnte man sagen, Charles.“
„Dann wird wohl meine Anwesenheit erforderlich sein.“
Lucy nickte und faltete die Zeitung zusammen. Immer noch lächelnd, antwortete sie:
„Ja, das wäre sicher gut. Zu meinem Schutz, nicht wahr?“
Charles schenkte ihr keine Beachtung. Er war zu guter Laune, als dass er sich die Stimmung durch ihre kleinen Sticheleien verderben ließ. „Du siehst sehr selbstzufrieden aus. Was führst du im Schilde?“
Lucy war am Vormittag der Bitte ihrer Mutter nachgekommen und hatte ihre Zofe zum Haus von Lady Sinclair geschickt, in der Hoffnung, von ihren Dienstboten mehr über Beatrice zu erfahren. „Ich hatte ebenfalls einige Besorgungen zu erledigen. Ich musste Informationen für Mutter beschaffen. Du weißt, wie zudringlich sie manchmal sein kann.“
Das wusste Charles zur Genüge. Er fragte nicht einmal, welche Informationen Lucy für ihre Mutter hatte beschaffen sollen. Aber da sie das Thema nun einmal angeschnitten hatte ...
„Apropos Informationen – kennst du Beatrice Sinclair, Lu?“
Vor Verblüffung verschluckte sich Lucy an ihrem Tee.
„Mir war nicht bewusst, dass die Frage so seltsam ist“, sagte er überrascht.
Lucy wischte sich übers Kinn und versuchte unbekümmert dreinzublicken. „Tut mir leid, das ist sie auch nicht. Kennst du Beatrice Sinclair denn?“
Er überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Er hatte gehofft, dass Lucy mit einem einfachen Ja oder Nein antworten würde, aber sie wollte ihn ganz offensichtlich aushorchen. Er wollte seiner Schwester nicht zu viel von seinem Privatleben preisgeben, aber ihn plagte auch die Neugier. „Ich kenne sie eigentlich nicht, aber ich würde sie gern kennenlernen. Ich bin ihr letzte Nacht begegnet, als ich vom Ball zurückkam. Sie ist Lady Sinclairs Nichte.“
„Großnichte, um genau zu sein“, erklärte Lucy. „Sie hat die letzten beiden Saisons nicht in der Stadt verbracht, was wohl erklärt, warum du ihre Bekanntschaft bisher noch nicht gemacht hast. Als sie zum letzten Mal in London weilte, warst du auf dem Kontinent.“
Charles nickte. Lucy war ein wahrer Quell an Informationen. „Weißt du noch mehr über sie?“
„Ihr Vater ist Viscount Carlisle. Ihren Bruder Benjamin Sinclair kennst du vielleicht aus deinem Klub.“
„Ja, wir sind miteinander bekannt. Er ist einige Jahre jünger als ich. Wir besuchten dieselbe Schule.“ Charles verengte argwöhnisch die Augen. „Aber du kennst ihn nicht, oder?“
Sie lächelte gezwungen. „Ich weiß über ihn Bescheid. Sein Ruf ist ebenso verrucht wie der deine.“
„Da du so viel weißt, dann sag mir doch, warum Miss Sinclair nicht verheiratet ist“, meinte er spöttisch.
„Genau das versuche ich herauszufinden.“
„Warum um Himmels willen willst du das herausfinden?“
Lucy sah einen Augenblick erschrocken drein, gewann aber rasch die Fassung wieder.
„Das habe ich doch nicht wörtlich gemeint, Charles. Es verwundert mich lediglich, dass sie trotz ihrer Schönheit so lange ledig geblieben ist, und ich frage mich, warum.
Sie ist übrigens auch recht vermögend.“
„Ich habe gar nicht gewusst, welch große Klatschbase du bist, Lucy“, sagte er kopfschüttelnd.
„Das bin ich auch nicht. Du bist derjenige, der hier die Fragen stellt, Charles.“
„Ich hätte gewiss nicht mit solch ausführlichen Antworten gerechnet. Woher weißt du das alles?“
„Ich bin halt gerne gut informiert. Und falls es dich interessiert, offenbar sucht sie jeden Dienstag um zwei Uhr Larrimor’s Buchladen auf.“ Lucy hielt inne, als sie die verblüffte Miene ihres Bruders sah, die sie ahnen ließ, dass er für diese präzise Angabe eine Erklärung erwartete. „Einer von Lady Sinclairs Dienstboten hat dies gegenüber meiner Zofe erwähnt. Mr Larrimor erhält offenbar dienstags die neuen Lieferungen. Meine Zofe erzählte es mir wiederum, weil sie wusste, dass ich mir ein Buch besorgen wollte, und glaubte, ich würde vielleicht gern mit Miss Sinclair gemeinsam den Laden aufsuchen.“
Charles schwieg eine Weile, die Neuigkeit verdauend, dann meinte er bedächtig:
„Das
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