0501 - Der Biß der Kobra
für drei. Außerdem könnte er Raffael ein wenig zur Hand gehen. Der wird nämlich inzwischen wirklich alt.« Raffael Bois, Diener aus Berufung und ganz nebenbei auch noch von Beruf, hatte mittlerweile die 90 erreicht, wehrte sich aber immer noch mit Händen und Füßen gegen die Pensionierung. »Monsieur«, hatte eierst vor ein paar Tagen gesagt, »Sie wissen doch, daß mein Beruf mein Leben ist, und ein beschäftigungsloses Rentnerdasein würde mich innerhalb weniger Wochen töten. Aber wenn Sie wirklich ernsthaft der Ansicht sein sollten, meiner bescheidenen Dienste nicht mehr zu bedürfen, kann ich Sie nur noch bitten, mir statt dessen eine Stelle als Minister oder Regierungschef in der Volksrepublik China zu beschaffen, denn ich komme jetzt gerade ins richtige Alter, dort noch einmal eine Karriere zu starten…«
Zamorra hatte Mühe gehabt, ernst zu bleiben. Trotzdem war Raffaels Alter inzwischen ein Problem. Nach wie vor bemühte er sich, stets zur Stelle zu sein, wenn seine Dienste benötigt wurden, und weniger denn je schien er Schlaf zu benötigen. Er konnte die Wünsche seines Chefs fast hellseherisch erkennen, nur wurde er immer langsamer, und auch seine Sehkraft ließ nach.. Je mehr Zamorra darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm der Gedanke, Lady Patricia Saris ap Llewellyn nebst Erbfolger und Butler an die Loire umzusiedeln. Der um gut dreißig Jahre jüngere William konnte Raffael entlasten, ohne daß dieser das Gefühl bekam, aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Und wenn irgendwann der Zeitpunkt kam, an dem Lady, Jung-Lord und Butler wieder zurück nach Schottland ziehen wollten, war das Problem Raffael Bois möglicherweise durch dessen altersbedingtes Dahinscheiden beigelegt. Nicht, daß Zamorra sich Raffaels Tod herbeigewünscht hätte… ganz im Gegenteil, denn dafür hatte er den alten Herrn einfach viel zu gern, und deshalb hatte er ihm auch immer noch nicht die Kündigung geschrieben, weil er genau wußte, daß das Raffael tatsächlich umbringen würde. Der Mann brauchte seine Aufgabe, und er war schließlich auch immer noch in der Lage, sie zu erfüllen.
»Von mir aus herzlich gern, Nici«, sagte Zamorra. »Es dürfte jetzt von Patricia abhängen, ob sie auf den Vorschlag eingeht oder nicht.«
»Ich werde sie solange bearbeiten, bis sie es tut«, versicherte Nicole. »Immerhin nutzen wir zwei ja ohnehin nicht einmal fünf Prozent von Château Montagne. Und wenn ich Patricia dann auch noch klarmache, daß ihr Sprößling in Gesellschaft von Altersgenossen aufwachsen kann…«
»Wie meinst du denn das?« stieß Zamorra hervor, in dem jähes Mißtrauen erwachte.
Nicole lachte leise auf. »Ich dachte an die Lafittes und ihre zwei Kinder. Pascal kommt doch ohnehin alle paar Tage zum Château herauf, und da kann er doch die beiden Kleinen mitbringen oder Lord Zwerg ins Dorf hinunter holen…«
»Lord Zwerg!« Zamorra lachte auf. »Die Bezeichnung hat ihm gerade noch gefehlt…«
»Warum auch nicht? Wenn du ihm ’ne Zipfelmütze aufsetzt und einen falschen Bart anklebst, hat er doch gerade das Format eines Gartenzwerges !«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Bloß dessen stoische Ruhe wird dein Lord Zwerg wohl nicht aufbringen. Hörst du ihn?«
Durch die Mauern von Llewellyn-Castle drang für kurze Zeit das Klage-Geschrei eines Kindes, dessen Hunger jedoch alsbald gestillt wurde.
»Ist doch nicht mein Zwerg, sondern der von Patricia!« protestierte Nicole. »Aber ein bißchen Kinderspektakel in unseren Sphären könnte wirklich nicht schaden. Und für ausreichende Sicherheit können wir bei uns auch viel besser sorgen als hier in den Highlands.«
Zamorra lächelte in der Dämmerung des Zimmers. »Es sei«, gewährte er. »Aber bevor wir dieses Projekt in Angriff nehmen, gibt es noch etwas anderes zu tun, das mindestens ebenso wichtig ist.«
»Und das wäre?«
Zamorra lächelte. »Dazu sollten wir uns allerdings erst einmal ausziehen«, schlug er vor. »Ich denke, Doc Methusalem würde es als höchst sündhaft, unmoralisch und sittlich verwahrlost bezeichnen.«
Nicole lachte vergnügt auf. »Nur wer sündigt, kann beichten, wie? Nimm dich in acht, Professor. Du hast es mit einem weiblichen Raubtier zu tun.«
Zamorra erwies sich auch ohne Peitsche als geschickter Dompteur, der seine Raubkatze schnell zum gemeinschaftlichen Schnurren bringen konnte. Gevatter Mond, der als fast kreisrunde Scheibe ins Zimmer lugte, fand daran nichts auszusetzen und hüllte sich in leuchtendes
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