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0501 - Der Biß der Kobra

0501 - Der Biß der Kobra

Titel: 0501 - Der Biß der Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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verharrte und wartete auf ihre Chance.
    ***
    Am kommenden Tag erschienen fast gleichzeitig der Bestatter und der Hausanwalt. Ein Abtransport des toten Lords entfiel, weil er nicht auf einem öffentlichen Friedhof beigesetzt werden würde, sondern auf seinem eigenen Totenacker. Aber einen Sarg mußte er ja trotzdem bekommen, und ein wenig Leichenkosmetik konnte auch nicht schaden. Anwalt Muirfinnan, der gleich zwei Doktortitel vor seinem Namen herschleppte, wollte im ersten Moment nicht glauben, daß dieser uralte Mann tatsächlich Lord Saris war. Als sie zum letzten Mal persönlich miteinander gesprochen hatten, hatte der Lord zwar schon leichte Alterungserscheinungen gezeigt, aber noch leidlich normal ausgesehen. »Der Mann sieht ja aus, als wäre er zweihundert oder dreihundert Jahre alt!« entfuhr es Dr. Dr. Muirfinnan.
    Wie gut seine Schätzung war, wagte Zamorra ihm nicht zu bestätigen. Er wußte nicht, ob Muirfinnan in Saris’ Geheimnis eingeweiht war. Aber der Anwalt war ohnehin nicht deshalb hier, sondern um der jungen Witwe sein Beileid auszusprechen und die Testamentseröffnung terminlich zu fixieren. »Es wird nur eine Formalität sein, die wir gern hier in Caer Llewellyn durchführen können. Für Sie ist das sicher bequemer, als nach Inverness zu kommen, Lady ap Llewellyn. Wann wäre es Ihnen recht, Mylady?«
    Patricia zuckte mit den Schultern. Sie hatte sich von der Geburt noch nicht ganz erholt, war aber schon wieder auf den Beinen. »Mir ist jeder Termin recht«, sagte sie leise.
    »Dann schlage ich den Tag der Beisetzung vor. Es dürfte keine Probleme geben, da alle Erbberechtigten«, er lächelte dünn, »in erreichbarer Nähe sind und keine Verzögerungen durch längere Anreisen entstehen.«
    Damit war diese Sache geklärt. Die Beisetzung selbst barg auch keine Probleme. Drei Tage hatte der Sarg über der Erde zu stehen, um dann auf dem Totenacker der Llewellyns seine Bestimmung zu finden. Ein paar kräftige Männer aus dem Dorf hoben die Grube aus und wollten dafür nicht einmal Bezahlung. William drückte ihnen trotzdem einen großzügigen Lohn für ihre schweißtreibende Arbeit in die Hände.
    Der winzige Privatfriedhof lag zwischen Caer Llewellyn und dem überragenden Bergmassiv des Ben Attow. Von Hecken und einem Metallzaun eingegrenzt, gab es logischerweise nur - sehr wenige Grabstätten, denn nur die Erbfolger waren hier beigesetzt worden. Andere direkte Angehörige des Llewellyn-Clans schienen entweder an einer Beisetzung an diesem Ort nicht interessiert gewesen zu sein, oder eine solche war ihnen untersagt. Zamorra wußte es nicht. Er wußte von Lord Saris nur, daß dieser keine noch lebenden Anverwandten mehr besaß - außer eben seiner jungen Frau. In antiken Zeiten mußten sich die Clansangehörigen mangels moderner Verhütungstechniken fleißig vermehrt haben, aber zumindest in den beiden letzten anderthalb Jahrhunderten hatte es keine Geburten mehr gegeben, und wer jetzt vielleicht noch existierte, war nur noch so weitläufig um -zig Ecken verwandt, daß er keinen unmittelbaren Erbanspruch mehr besaß. Der Lord hatte frühzeitig dafür gesorgt, daß das Erbe nicht zersplittert werden konnte. Lady Patricia und der kleine Rhett brauchten jedenfalls nicht zu befürchten, mit jemandem teilen zu müssen.
    Zum Begräbnis war fast ganz Cluanie auf den Beinen. Mit den Menschen des Dorfes war Lord Saris immer sehr verbunden gewesen, und seltsamerweise hatte sich über sein langes Leben niemand gewundert. Es war Tradition, daß die Lairds ap Llewellyn länger lebten als jeder Mensch, man nahm es einfach hin. Hier in den Highlands wurde das Phantastische überhaupt viel leichter akzeptiert als in den Großstädten. Hier wurden keine Fragen gestellt, hier lachte man niemanden aus. Und wenn es das Ungeheuer von Loch Ness gab und Gespenster, Trolle, Elfen und Feen, warum sollte dann nicht auch ein Mann mit einem unglaublich langen Leben gesegnet sein? Darüber machte man sich längst keine Gedanken mehr. Der Laird lebte sehr lange, und Äpfel fielen vom Baum auf die Erde. Beides völlig normale Vorgänge.
    Langsam wurde der Sarg ins Grab gesenkt. Plötzlich glaubte Zamorra wieder das Bild zu sehen, das ihm an der Quelle des Lebens gezeigt worden war. Einer, dem du vertraust, wird den Deckel des Sarges über dir schließen. Wieder sah er als Außenstehender sich selbst, seinen Körper, in einem Sarg liegen, sah Nicole daneben stehen und auch Sid Amos, wie er den Sarg schloß…
    Unwillkürlich

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