0503 - Der Stierdämon

angestellt? Was soll das mit dem Gefasel von Gold und Goldschatz?« Zamorra schloß zu dem Gnom auf, der bis ans Fenster zurückgewichen war, und streckte die Hand nach dem Amulett aus. Der Namenlose warf es ihm zu. »Es ist nicht alles Gold, was grollt und schmollt«, kicherte er. Den Ernst in Zamorras drohendem Blick registrierte er erst Sekunden später. Er verzog das Gesicht. »Panzerhornschrexe? Du kennst dies scheußbare Geviech, großer Freund? Mancher munkelt, es existiere gar nicht, weil keiner, der’s sah, lebend zurückkehrte, um es zu beschreiben… hast du wirklich…?«
    »Lenke nicht ab!« fauchte Zamorra. »Was hast du angestellt?«
    »Oh, ich fürchte, ich muß dich wieder mit ›Ihr‹ und ›Herr‹ anreden, Herr«, ächzte der Gnom. »Doch wollt Ihr so gütig sein, Eure adleräugigen Pupillen gen Burghof zu richten? Seht doch!«
    »Verdammt, du sollst mich weiterhin ganz normal anreden, weil ich kein Herr und du kein Sklave bist!« brummte Zamorra. »Wir sind beide Menschen, oder? Und was ist mit dem Burghof? Eh, du lenkst schon wieder ab!«
    »Bin ich nicht ein Schelm?« kicherte der Gnom. »Sieh doch, großer Freund!«
    Verblüfft starrte Zamorra durchs Fenster. In der Tat war der Burghof beleuchtet, obwohl niemand mehr da war, der das Außenlicht hätte einschalten können! Und dann trat William ins Freie, darauf die Lady…
    »Das gibt es nicht«, murmelte Zamorra verblüfft. »Die sind doch beide erstens im Château Montagne und zweitens ahnungslos…«
    Jetzt tauchte der Gnom draußen auf. Derselbe Gnom, der hier neben Zamorra stand und von einem Ohr zum anderen grinste.
    Zamorra wog das Amulett in seiner Hand. Wie war das möglich, was sich da draußen abspielte? Es mußte eine Illusion sein. Wie aber entstand sie?
    Und schließlich sah Zamorra sich selbst. Als letzter verließ er Llewellyn-Castles Wohntrakt und schritt im Zehn-Meter-Abstand hinter den anderen her auf das Burgtor zu. Alle Figuren bewegten sich wie Roboter, die stur ihrer Programmierung folgen und weder nach rechts noch nach links schauen…
    »Ich habe die Lösung. Man erfinde ein Problem«, sagte der Gnom heiter. »Der Beobachter sieht selbiges Bild, welches auch dein Augenmerk gewahrt, großer Freund. Somit ist das Ultimatum scheinbar erfüllt, und wir haben Zeit gewonnen, jenen Extrakt rudimentärer Erinnerungen agieren zu lassen.«
    Noch ehe Zamorra die nächste Frage stellen konnte, sah er, was der Gnom mit »Extrakt« gemeint haben mußte. Denn da verließ noch eine weitere Gestalt das Gebäude.
    Ein Wesen, das gar nicht existieren durfte! Eine Illusion, die alles andere durch ihr Erscheinen wieder zunichte machen mußte! Auffallend das rote Gewand, das den Skelettkörper umhüllte! Ausgebleicht die Knochenhände, die aus den Ärmeln dieses Gewandes hervorragten und lange, messerscharfe Krallen an den Fingerspitzenknochen besaßen. Unglaublich aber war der mächtige, bleiche Stierschädel mit den spitzen Hörnern, der auf den Halswirbeln eines menschlich anmutenden Skeletts thronte, das zwischen den wehenden Falten des roten Umhangs ab und zu sichtbar wurde.
    »Was ist das?« flüsterte Zamorra entgeistert.
    »Es ist eine Erinnerung, großer Freund.«
    Dem ging das ständige »großer Freund« mittlerweile schon schlimmer auf die Nerven als das frühere »Herr«, das er sich inzwischen verbeten hatte. »Zum Teufel, kannst du mich nicht einfach beim Namen nennen, oder hast du vergessen, daß ich Zamorra heiße?« polterte er los. »Und jetzt will ich von dir wissen, wie du das gemacht hast und was deine Bemerkung über das Gold in Zusammenhang mit Nicole bedeuten soll!«
    Der Namenlose fuchtelte wild mit beiden Händen. »Einer wie der andere, ob sie nun Zamorra deMontagne oder Zamora y Montego heißen! Du bist undankbar, gro… äh, Freund Zamorra! Uneigennützig bemühte ich die okkulten Kräfte des Kosmos, um dir und deiner Gespielin aus der argen Klemme zu helfen und jenen dreisten Wicht an der Nase herumzuführen, und du schimpfst und drohst und wetterst nur! Schau dir doch lieber an, was geschieht!«
    Vier Personen hatten das Burgtor durchschritten. Die fünfte Person, diese rotgekleidete Mischung aus Stier- und Menschenskelett, änderte kurz vorher die Richtung und bewegte sich direkt auf die Mauer zu. Zamorra fragte sich, was das sollte. Aber dann, als er nach oben schaute, entdeckte er auf der Mauer einen Mann im grauen Anzug!
    Das mußte der Beobachter sein, von dem Torre Gerret gesprochen hatte! Seiner