0508 - Morganas wilde Meute
hoch und ließ die Rollos herab.
Das klatschende Geräusch der aufeinanderfallenden Lamellen störte sie diesmal nicht. Wichtig für sie war, daß die Wölfe, die sicherlich das Haus belauerten, nicht mehr in ihre Wohnung schauen konnten. Diese kalten, gierigen Blicke konnte sie einfach nicht vertragen.
Jenna fragte sich nur, was die Tiere von ihr wollten. Sie hatte ihnen nichts getan, und sie überlegte scharf und intensiv. Möglicherweise war durch ihren Besuch im Land der Sabäer etwas in Bewegung geraten, das lange verschüttet gewesen war.
Ein alter Fluch, ein altes Versprechen…
In den nächsten Minuten lief Jenna durch ihre Wohnung und ließ überall die Rollos herunter. Die Haustür schloß sie nicht ab. Hätte sie das getan, wäre sie sich eingeschlossen vorgekommen.
Was sollte sie tun?
Nachdenklich und gleichzeitig innerlich aufgewühlt ging sie zurück in den Wohnraum. Er war modern eingerichtet, aber auch versehen mit einigen Reiseandenken. Kunstgegenstände aus fremden, fernen Ländern. Kleine Schmuckstücke, wunderbar gepflegt und aufgestellt. Im Arbeitszimmer standen noch mehr dieser Dinge.
Diesmal konnte sich Jenna an deren Anblick nicht erfreuen. Ihre Blicke blieben immer öfter am Telefon haften.
Sollte sie noch einmal anrufen? Es war mittlerweile spät geworden, und Jenna versuchte es.
John hob wieder nicht ab.
Enttäuscht legte sie den Hörer nieder. Neben dem Telefon stand ein moderner Sessel mit einem Kunststoffgestell. In seine Polster ließ sich Jenna fallen.
Es war ruhig geworden. Im Haus rührte sich nichts, und auch draußen hatte sich die Stille um Haus und Garten gelegt. Es war die nächtliche Ruhe, wo sich der Mensch entspannen konnte.
Bei Jenna Jensen war das Gegenteil davon eingetreten. Immer öfter strich sie mit den Händen durch ihre Kurzhaarfrisur, rückte nervös an ihrer Brille, räusperte sich mehr als gewöhnlich, streckte die Beine aus und versuchte wenigstens, sich zu entspannen.
Vom Flur her drang das Ticken einer alten Standuhr in den Wohnraum. Auch das Geräusch beruhigte Jenna nicht. Sonst war es stets der Fall gewesen. So wartete sie weiterhin darauf, daß etwas passierte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß eine ruhige Nacht vor ihr lag.
Automatisch dachte sie zurück an die Nächte in der Wüste, die sehr kalt gewesen und von geheimnisvollen Lauten durchdrungen waren. Hier schabten keine Staubkörner an der Außenwand eines Zeltes entlang. Der Wind war ruhig, und dennoch gab es genügend Geräusche.
Jenna schrak zusammen, als sie von außen das Geräusch vernahm.
Es war ein Kratzen am Rollo.
Steif setzte sie sich hin. Ihre Blicke waren auf das Fenster gerichtet, hinter dessen Scheibe die graue Wand des Rollos stand.
Die Lamellen des Rollos zitterten plötzlich. Von außen sprang oder drückte jemand dagegen.
Der Wolf?
Ein anderer konnte es nicht sein. Jenna traute sich auch nicht, das Rollo wieder hochzuziehen und nachzuschauen. Dazu war ihre Furcht einfach zu groß.
Das Geräusch verging. Jenna atmete auf – und stieß einen Schrei aus, als sie das klagende Heulen hörte, wie es ihr aus der Wüstennacht bekannt war.
Sie begann zu zittern. Panik trat in ihren Blick. Fieberhaft suchte sie nach einem Ausweg, der aber nicht vorhanden war. Irgendwie hing sie fest.
Dann gab es kein Halten mehr für die junge Archäologin. Sie stürmte aus dem Sessel und rannte in den Flur. Von ihm zweigte auch die Tür zum Schlafzimmer ab, in dem ebenfalls ein Schreibtisch stand.
Auch hier hatte sie das Rollo heruntergelassen. Das Fenster reichte nicht bis zum Boden. Vielleicht gab ihr diese Tatsache den Mut, das Rollo ein Stück hochzuziehen.
Sehr vorsichtig zog sie es in die Höhe. Stück für Stück, und sie ärgerte sich darüber, daß dieser Vorgang leider mit Geräuschen verbunden war. Ein Stück der Scheibe war schon zu sehen, und Jenna bückte sich, um hindurchschauen zu können.
Auch der Schlafraum lag zum Garten hin. Jenna wollte noch besser sehen können, zog das Rollo weiter hoch, duckte sich und starrte durch das Fenster.
Plötzlich war er da!
Sie sah den Schatten noch, der an der Mauer hochsprang, die Scheibe erreichte und seine Pfoten von außen her gegen das Glas schlug. Er stand auf seinen. Hinterbeinen, und Jenna blieb ebenfalls in ihrer Haltung.
Vor dem Fenster stand die Bestie.
Sie hatte ihr Maul weit aufgerissen. Das weiße Gebiß mit den spitzen Zähnen schimmerte. Dazwischen lag seine Zunge, die sich zitternd bewegte.
Dafür
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