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0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

Titel: 0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang Kostenlos Bücher Online Lesen
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kannte ich jeden verdammten Sheriff, in dessen Gebiet ein Verladebahnhof lag. Mit einem einfachen Putzlappen habe ich die Signale —«
    Er schlug sich mit der flachen Hand geg'en den Mund, grinste und sagte nichts mehr. Ich grinste ihn freundlich an. Der Alte gefiel mir. Auch Gore brachte mir Tricks bei, die ich für meinen Job brauchte, aber Gore war nur einer von vielen Gangstern, die ich in meinem Leben kennengelernt hatte. Jimmy dagegen war eine Persönlichkeit, anders kann man es gar nicht sagen. Vom Augenblick an, da er auf der Schwelle stand und uns prüfend gemustert hatte, wußten wir, daß er ein Mensch mit einer besonderen Ausstrahlung, war. Er gewann meine Sympathie im Handumdrehen.
    »Sehen Sie, Jimmy«, sagte ich und beugte mich vor, um in seine wasserhellen gescheiten Augen zu blicken, »das alles sollen Sie mir beibringen. Sie sollen mir zeigen, wie man auf einen Güterzug auf springt, ohne sich die Knochen zu brechen, Sie sollen mir verraten, welche Wagen am besten sind, wie man sich vor dem Zugpersonal versteckt — eben alles, was es auf diesem Gebiet zu wissen gibt.«
    »Aha«, sagte der Alte und beugte sich nun seinerseits vor. Ungeniert tippte er mir mit der Spitze des Zeigefingers gegen meine Stirn: »Kleiner Schaden da oben?«
    »Nicht daß ich wüßte, Jimmy. Ich meine es ernst.«
    »Ja, du großer Gott!« rief er. »Sie sind fein in Schale, kriegen vermutlich ein Schweinegeld jede Woche in die Hand geblättert und sind eben überhaupt ein studierter Latscher. Warum wollen Sie denn eine Bremserlaus werden?«
    »Eine was?«
    »Nicht einmal seine eigene Muttersprache versteht er«, knurrte Jimmy kopfschüttelnd. »Ein Bremser ist ein Mann, der bei einem Güterzug von mehr als achtzig Achsen mitfahren muß, ufn bei abschüssigen Strecken vom Bremserhäuschen aus die Bremsen anzuziehen, sonst würde das Gewicht des beladenen Zuges die Lokomotive in zunehmender Geschwindigkeit bergab drücken und schließlich aus den Schienen werfen. Geschnallt?«
    Ich nahm an, daß ›geschnallt‹ etwa ›verstanden‹ heißen sollte, und nickte.
    »Schön«, fuhr er fort. »Außerdem haben Bremser so nebenbei aufzupassen, daß keine Tramps mitfahren. Und weil sie uns so gern haben wie Ungeziefer, sind wir eben ›Bremserläuse‹. Geschnallt?«
    »Geschnallt«, sagte ich grinsend.
    In seinen Augen blitzte es belustigt. Anfangs hatte er sich Mühe gegeben, ein normales Amerikanisch zu sprechen, aber immer mehr verfiel er in jenen Jargon der Landstreicher und Tramps, der sich zwar amerikanischer Wörter und Laute bedient, aber im Grunde eine Sprache für sich ist.
    Phil kam mit dem Kaffee. Und zum ersten Male merkte ich, daß Jimmy ein Laster hatte. Seine Finger zuckten nervös, als ich ihm die Tasse hinschob. Glücklicherweise hatte Phil eine große Thermoskanne ausgeliehen, und Jimmy schüttete Kaffee in unglaublichen Mengen in sich hinein. Und in einem kaum faßlidhen Tempo. Dabei war das Zeug so brühheiß, daß wir es nur nach längerem Blasen und in winzigen Schlückchen genießen konnten, während er es einfach so in den Hals schüttete. Die flüssige Glut schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Erst als der letzte Tropfen aus seiner achten oder neunten Tasse verschwunden war, besann er sich wieder auf unsere Gegenwart. Er leckte sich genießerisch über die Lippen.
    »Gut«, meinte er anerkennend. »Verdammt gut. Jetzt muß ich aber weiter. Ich — eh — jetzt hatte ich doch ganz vergessen, daß Sie was von mir wollten. Na so was! Es ist nicht zu glauben!« Er sah zu Phil, zeigte aber mit dem Daumen auf mich: »Der will eine Bremserlaus werden!« Kopfschüttelnd sah er mich wieder an. »Warum denn bloß, mein Junge? Warum?«
    Ich tauschte einen kurzen Blick mit Phil. Ich zog die mittlere Schublade an meinem Schreibtisch auf und nahm einen großen braunen Umschlag heraus, der den auf gedruckten Absender des FBI-Hauptquartiers in Washington trug. Ich griff hinein und holte ein Päckchen Hochglanzfotografien heraus. Mit dem linken Arm fegte ich alles an den Rand, was auf meinem Schreibtisch stand oder lag, damit ich die Vergrößerungen vor Jimmy ausbreiten konnte. Als sie in zwei Reihen vor ihm lagen, wies ich mit einer umfassenden Handbewegung darauf und sagte heiser:
    »Deshalb, Jimmy.«
    ***
    Tony Martens, Special Agent des FBI vom Büro Detroit, drehte sich um. Er war ein wenig blaß geworden und hielt die Lippen krampfhaft fest zusammengepreßt, als fürchte er, sein Magen könne revoltieren. Er

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