Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
051 - Die gelbe Schlange

051 - Die gelbe Schlange

Titel: 051 - Die gelbe Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
jetzt Fahrt aufgenommen. Das Tuten der Schiffssirenen durchbrach die finstere Nacht. Joan stand am Tisch und lauschte auf das Rasseln des Maschinentelegraphen und das plötzlich einsetzende Pochen der sich langsam drehenden Schiffsschraube. Es war ein Alptraum; es konnte nicht wahr sein! Und doch war es die Wirklichkeit. Sie war an Bord eines Schiffes, das die Themse zum Meer hinabfuhr. Joan zitterte.
    Was lag am Ende dieser Reise?
    Dann rief sie sich die Worte des Majors ins Gedächtnis zurück, und sie wußte, daß er Wort gehalten hatte. Die Tatsache, daß die Chinesen die Tür einschlagen mußten, bewies deutlich, daß Spedwell keinen Anteil an diesem Verbrechen hatte. Wo mag er sein, fragte sie sich, und dann kam ihr blitzartig der Gedanke an den wimmernden Mann mit dem verhüllten Kopf. Aber das konnte nicht der Major sein, dieser Mann mit dem harten Gesicht würde wohl niemals um Gnade flehen., »Sie hier wohnen, Missie«, lispelte die fette Amah, die durch Fing Sus Drohungen ganz aus der Fassung gebracht war. »Ich machen Bett von Missie -«
    Sie ging in die innere Kabine, und Joan glaubte einen Augenblick, ein merkwürdiges Geräusch wie von scharrenden Füßen zu vernehmen, aber sie achtete nicht darauf, bis sie plötzlich hörte: »Kannst du das Licht ausmachen?«
    Joan fiel beinahe in Ohnmacht. Es war die Stimme Clifford Lynnes!
    Es dauerte fast eine Minute, bis sie endlich den Lichtschalter fand, und mit zitternden Fingern drehte sie den kleinen Knopf. Im gleichen Augenblick, als das Licht erlosch, war Cliff an ihrer Seite, umfaßte ihre Schulter und zog sie an sich. Joans Spannung löste sich in einem krampfhaften Schluchzen, und sie barg den Kopf an seiner Brust. Ein langes, tiefes Schweigen folgte, das nur durch ihr leiser werdendes Weinen unterbrochen wurde. Dann sagte eine ängstliche Stimme in der Dunkelheit:
    »Ich bin ihr einziger Verwandter, Cliff. Es ist wirklich unpassend für ein junges Paar -«
    »Halt den Mund!« zischte Lynne, aber die Komik, die darin lag, daß der alte Joe in dieser ungemütlichen Situation als Tugendwächter auftreten wollte, wurde in diesem Augenblick niemand bewußt.
    Schritte näherten sich dem Fenster.
    »Warum brennt kein Licht?« hörten sie Fing Su fragen.
    »Junge Frau zieht sich aus«, lispelte Cliff und ahmte den Honan-Dialekt der dicken Chinesin genau nach.
    Fing Su brummte:
    »Warum tut sie das nicht in ihrem Schlafzimmer?«
    Aber anscheinend hatte er keinen Verdacht geschöpft und ging wieder fort.
    Clifford konnte durch das Fenster beobachten, daß das Schiff in der Mitte der Fahrrinne stromab fuhr. Die Maschinen arbeiteten nur mit halber Kraft. Er war erstaunt, daß Fing Su das Mädchen in einem so freiliegenden Teil des Schiffes untergebracht hatte. In Gravesend mußten auf jeden Fall die Beamten der Londoner Hafenpolizei an der Kabine vorbeigehen, ebenso der Lotse, der das Schiff in See bringen sollte. In einer Stunde würde die Morgendämmerung einsetzen, und damit wuchs die Gefahr einer Entdeckung doch noch mehr. Draußen hörte man die Kulis eifrig arbeiten, und nach einiger Zeit verdunkelte sich eine Fensterluke. Clifford konnte sehen, daß draußen vor der Kabinenwand Warenballen aufgestapelt wurden.
    Ihre Lage begann gefährlich zu werden.
    »Wir hätten Fing Su sofort hier packen sollen, als er die Tür öffnete«, meinte Inspektor Willing. Clifford schüttelte den Kopf.
    »Das klingt sehr einfach, war aber nicht durchführbar. Übrigens glaube ich nicht, daß er die Kabine noch einmal betreten wird, bevor das Schiff auf hoher See ist«, sagte Clifford ernst. »Es wird noch ziemlich ungemütlich werden. Besteht eine Möglichkeit, die Tür aufzubrechen?«
    Willing preßte sich mit aller Gewalt dagegen, schüttelte dann aber den Kopf.
    »Man könnte aber die Fensterluken eindrücken«, schlug er vor.
    Trotz der ernsten Situation mußte Clifford lächeln.
    »Nicht einmal Sie könnten durch eine so kleine Luke ins Freie kommen, Inspektor«, erklärte er trocken.
    »Wir könnten die Hafenpolizei auf uns aufmerksam machen.«
    »Zwei unbewaffnete Beamte würden uns nur wenig nützen.. Bevor sie Hilfe herbeirufen könnten, wären wir längst erledigt -dabei noch immer vorausgesetzt, daß Fing Su die Beamten überhaupt wieder von Bord gehen ließe. Nun, früher oder später muß Fing Su doch die Tür öffnen, und in dem Augenblick, in dem er diese Kabine betritt, wird es keinen Ärger mehr geben - ausgenommen für ihn selbst.«
    Die Morgendämmerung brach

Weitere Kostenlose Bücher