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0514 - Der Schädeltempel

0514 - Der Schädeltempel

Titel: 0514 - Der Schädeltempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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ist kein Etablissement, sondern ’ne Kneipe mit Tradition, und zu dieser Tradition gehören nun mal die kleinen Pfützchen vor der Tür.« Welche von den Gästen einhellig als »mostache’sche Seenplatte« bezeichnet wurden; nach jedem kräftigen Regenfall wurde der Vorplatz fast unbegehbar - außer für Amphibien. Auf den Vorschlag, doch wenigstens einmal Trittsteine zu verlegen, hatte Mostache einmal erwidert, er hätte die dafür vorgesehenen Steine doch längst verlegt - und könne sie einfach nicht wiederfinden…
    In der anderen Hälfte der Schankstube ging es hoch her. Da saß zwischen der Menschentraube an einem großen Rundtisch ein recht eigenartiges Individuum und unterhielt die anderen Gäste mit wilden Worten und Gesten. Der Mann mußte ein Hüne von Gestalt sein; er wirkte schon sitzend riesig. Ein grauweißer Vollbart überwucherte fast sein gesamtes Gesicht. Eine mächtige, scharf gekrümmte Nase mit breiten Flügeln beherrschte den Rest; darüber kleine, bewegliche Augen und eine bis fast zum Hinterkopf reichende Stirn. Die umgebende Haarpracht fiel dafür in grauweißen Strähnen bis auf die Schultern. Der Mann trug eine Felljacke, die über der dicht behaarten Brust offenstand, hatte die Ärmel hochgekrempelt und präsentierte Armmuskeln, die ihresgleichen suchten. Die Handgelenke wurden von nietenbeschlagenen Kraftbändern aus rauhem Leder geziert. Um den Hals trug der Mann eine Lederkordel mit aufgereihten Zähnen und Krallen, die dem Urgroßvater aller Grislybären Ehre gemacht hätten; vor ihm auf dem Tisch stand rechts ein gewaltiger Humpen Bier, und links ein breitkrempiger, abgegriffener und speckig glänzender Lederhut mit einem ellenlangen Federbusch an der Hutkordel. Auf der Hutkrone lag ein blankes Messer, von der Größe her eines »Crocodile Dundee« würdig. Der Mann sprach mit einer volltönenden Baßstimme.
    »… und dann jagte der Gavvroval einfach im Sturzflug auf Großonkel Isenbart herunter, schnappte sich dessen Hut und wollte damit verschwinden. Aber so etwas konnte sich der Großonkel ja nicht gefallen lassen! Also breitete er die Arme aus und flog einfach hinter dem Biest her, etwa so…« Dabei gestikulierte er wild mit beiden Armen, griff zwischendurch nach seinem Bierkrug, um einen kräftigen Schluck daraus zu nehmen, wobei es natürlich nicht ausblieb, daß ein Teil des schäumenden Gebräus überschwappte.
    »He, Mann!« protestierte einer seiner Zuhörer. »Man überschüttet anständige Menschen nicht mit unanständigem Gesöff! Außerdem flunkerst du, Alter! Von wegen fliegen…«
    »Warum soll ein Gavvroval nicht fliegen können, eh?« knurrte das erzählende Unikum stirnrunzelnd.
    »Das Dingsbums vielleicht, aber doch nicht dein Großonkel, Mann! Was ist das überhaupt, ein Gaffel… Grabbel…«
    »Gavvroval!« half der Erzähler aus. »Hast du noch nie gesehen, wie? Und außerdem konnte Großonkel Isenbart sehr wohl fliegen! Paß auf!«
    Plötzlich sauste etwas durch die Schankstube. Eine Mischung aus Fledermaus, Riesenrabe und Pterosaurier, mit einem Schnabel, der eher nach einer Comicfigur aussah, und mit einer Kegelmütze über dem Kopf. Das Biest flatterte und zischte um die Lampen herum, direkt gefolgt von einem spindeldürren Männlein, das wild mit den Armen und Beinen ruderte und dabei kaum weniger fliegerische Gewandtheit zeigte als das verfolgte Flattervieh. Schließlich hockte sich das Tier in eine Fensternische und wurde von dem gerade eine Elle großen Männlein unter wildem Gezeter bedrängt.
    Zamorra, Nicole und Pascal sahen sich überrascht an. Natürlich konnte es nichts weiter als eine Illusion sein, aber hatten sie nicht sogar den Luftzug gespürt, als das seltsame Duo auch über ihrem Tisch hinweggewirbelt war?
    »Wie macht der das?« stieß Pascal Lafitte hervor.
    Sofort sah der Erzähler herüber. »Ich, junger Freund«, donnerte er, »mache überhaupt nichts! Ich erzähle euch nur eine Geschichte!«
    »Hypnose?« flüsterte Nicole. »Massenhalluzination?«
    Unwillkürlich griff Zamorra nach seinem Amulett, das er unter dem Hemd vor der Brust trug. Durch den dünnen Stoff tastete er nach der Silberscheibe. Aber Merlins Stern zeigte keine Schwarze Magie an, weder durch Vibration noch durch Erwärmung.
    Mostache schlurfte durch den Raum und servierte den Glühwein. Dann warf er einen strengen Blick zu dem Bärtigen hinüber. »Sieh zu, daß du das schwarze Huhn wieder abräumst -und den dürren Troll gleich auch! Das hier ist eine

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