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0514 - Der Schädeltempel

0514 - Der Schädeltempel

Titel: 0514 - Der Schädeltempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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einem Moment zum anderen trugen die beiden kurze Röckchen und Bolerowestchen, die gerade noch das Nötigste bedeckten, aber bei jeder Bewegung ihre Trägerinnen mehr ent- als verhüllten. Der Bärtige klatschte in die Hände. »Sputet euch! Kredenzt den Herrschaften süßen Wein und saures Bier!«
    »Typisch«, sagte Nicole spöttisch. »Auswüchse männlicher Fantasie. Warum dieser Fetzen? Da könnten wir ja gleich nackt sein.«
    »Was absolut kein Problem darstellt«, versicherte der Bärtige und veränderte die Szenerie mit einem Augenzwinkern entsprechend. Die Studentin auf Wochenendurlaub, eben noch völlig verblüfft, schrie jetzt entsetzt auf. Erschrocken versuchte sie, ihre Blößen mit den Händen zu bedecken.
    »Mußte das sein?« schrie sie Nicole wütend an. »Warum haben Sie mir das angetan?«
    »Es ist doch alles nur eine Illusion«, versuchte Nicole sie zu beruhigen, während Jeanette auf ihrem Stuhl förmlich in sich zusammenkroch. »Illusion?« fauchte sie. »Danach fühlt es sich aber wirklich nicht an!«
    Nicole tastete sich ab. Sie spürte tatsächlich das, was ihre Augen ihr zeigten: nackte Haut. Aber im Gegensatz zu Jeanette vermochte sie besser damit fertigzuwerden. Begehrliche Männerblicke wertete sie eher als Kompliment denn als Belästigung. Solange die Jungs nicht handgreiflich wurden…
    Marie-Claire war derweil errötet, und Frau Wirtin stand kurz vor der Explosion. Solch lasterhafte Szenerie in ihrem ehrbaren Haus… Wenn Blicke töten könnten, hätte der Bärtige in diesem Moment das Zeitliche gesegnet.
    »Fast hätte ich eines noch vergessen«, sagte dieser. »Sklaven gibt es ja auch, und so mancher feine Herr läßt sich von seinem Sklaven begleiten. Schließlich muß ja einer den Trunkenbold wieder nach Hause schleppen.«
    Ehe Zamorra begriff, wie ihm geschah, lag er an der Kette. Nackt bis auf einen schmalen Lendenschurz. Das eine Ende der Kette endete an einem Eisenring, der seinen Hals umschloß, das andere Ende an Pascals Gürtel. Allein Zamorras Amulett hatte die seltsame Verwandlung nicht mitgemacht; es hing jetzt frei sichtbar vor seiner nackten Brust.
    Der Bärtige stutzte nur ganz kurz, als er es sah; er schien es zu kennen oder zu erkennen. Aber schulterzuckend ging er darüber hinweg.
    »So, meine Freunde, sieht es in einer zünftigen Kneipe aus. Jetzt fehlt nur noch die Musik. Wer kann denn die Harfe spielen?« Er sah Mostaches Frau an. Im nächsten Moment hielt sie eine kleine Harfe im Arm und begann an den Saiten zu zupfen, als habe sie nie etwas anderes getan.
    »Ich denke, wir haben jetzt genug Kostproben Ihrer kleinen Tricks bekommen, Monsieur«, sagte Zamorra. »Vielleicht könnten Sie jetzt alles wieder in den Originalzustand zurückversetzen und sich auch mal vorstellen. Wer sind Sie?«
    »Ich bin ein Suchender«, sagte der Bärtige.
    Der Gavvroval und Großonkel Isenbart waren inzwischen von der Fensterbank gestürzt, auf der sie sich zuletzt gestritten hatten, und wieselten jetzt in wilder Verfolgungsjagd durch die Schankstube. Sie verschoben Tische, gegen die sie stießen, und warfen Stühle um. Mostache hob drohend eine Stachelkeule. »Wenn die beiden nicht Ruhe geben, zerstampfe ich sie zu Mus!« drohte er.
    »Haltet ein, Herr Wirt«, schmunzelte der Hüne. »Sie sind doch harmlos und spielen nur. Weist lieber Eure beiden so nichtsnutzigen wie hübschen Mägde an, endlich ihre Pflicht zu tun. Mein Humpen ist leer und setzt schon Staub und Spinnennetze an. Man fülle ihn rndlich wieder!« Er nahm den Krug vom Tisch und warf ihn Nicole zu.
    Die ließ ihn an sich vorbeisausen und zerschellen.
    Der Bärtige lachte wieder.
    »Ein ungastliches Haus, fürwahr, Herr Wirt. Gebt ihr einen Backenstreich. Ich werd’ mich nun weiter umtun, doch Eure Spelunke kann ich nicht guten Gewissens weiterempfehlen. Gehabt Euch wohl, allerseits.«
    Sprach’s und schritt zur Tür hinaus.
    Maßlos verblüffte Menschen blieben zurück.
    ***
    Lange sah das dunkelblonde Mädchen dem kleinen Drachen nach, der am Horizont verschwand. Erst, als er auch nicht mehr als winziger Punkt zu sehen war, sank das Mädchen auf die Knie und verneigte sich vor dem riesigen Schädel. Halblaute Beschwörungsformeln entflohen roten Lippen. Etwas geschah.
    Die Suche hatte begonnen. Was würde der Drache finden?
    ***
    Zamorra überwand seine Verblüffung als erster. Blitzschnell sprang er auf, um dem seltsamen Fremden zu folgen, nur hatte er nicht mehr an seine eiserne Halskette gedacht. Es gab einen

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