0517 - Notruf des Unsterblichen
noch in ihrem Schutz aufhalten.
Plafond ließ seine drei Männer ausschwärmen und die Waffen entsichern. Das Nachladen war heute nicht mehr so umständlich wie früher. Seit der Erfindung des Zündhütchens entfiel das lästige und zeitraubende Geschäft des Abschätzens der richtigen Pulverladung. Das hatte die Fabrik bereits für sie getan.
Plafond warf sich in eine Mulde, als die erste Kugel dicht an seinem Kopf vorbeiflog. Dann robbte er einige Meter vor, denn er wußte, daß der Deserteur mindestens fünf Sekunden zum Nachladen benötigte.
Richtig, er steckte in den Felsen.
Er winkte seinen Männern zu, sich Zeit zu lassen. Der Flüchtling konnte ihnen nun nicht mehr entkommen. Es hatte wenig Sinn, sich seinetwegen in Lebensgefahr zu begeben.
Sie warteten.
Aber es kam kein Schuß mehr. In den Felsen blieb es ruhig.
Der Deserteur schien sich in Luft aufgelöst zu haben, obwohl die kahle Steinkuppe nicht sehr viel Versteckmöglichkeiten bot.
Oder doch?
Plafond kroch zu einem seiner Männer.
„Sie begleiten mich, die anderen bleiben in Rückendeckung und sorgen dafür, daß er nicht entkommt. Wir durchsuchen die Felsen."
Sie krochen auf die Gruppe der ersten Steine zu, die, aus dem Wüstensand hervorragten. Es war gewachsener Fels, der vielleicht Tausende von Jahren unter dem Sand geschlafen hatte. Ein Sturm hatte sie freigelegt. Die Landschaft der Wüste veränderte sich unaufhörlich.
Sie fanden die Spur. Sie führte weiter in die Felsen hinein. Die Kuppe löste sich in eine Unmenge einzelner Kleingipfel auf, und in Höhleneingänge.
Das erschwerte die Suche erheblich.
Hinzu kam, daß sie die Spur verloren. Sie hörte auf einmal auf, von einem Schritt zum anderen. Jemand schien den Deserteur einfach in die Luft gehoben und dort festgehalten zu haben. Plafond sah unwillkürlich nach oben, konnte jedoch nichts entdecken. Nur blauer Himmel und eine weiße, erbarmungslose Sonne, die den letzten Tropfen Wasser aus seinem Körper zu saugen drohte.
Die Sonne ...!
Was war mit der Sonne los?
Sergeant Plafond verstand nicht viel von Astronomie, er hatte sich auch nie dafür interessiert. Aber die Sonne kannte er. So weiß und hell hatte er sie noch nie gesehen. Sie schien sich verändert zu haben, und heißer waren ihre sengenden Strahlen auch geworden.
Er winkte seinem Begleiter zu.
„Hinlegen, Jean! Hinlegen! Was ist passiert?"
Der Soldat gehorchte. Er ließ den nächsten Höhleneingang nicht aus den Augen.
„Ich merke nichts", flüsterte er. „Was soll passiert sein, Sergeant?"
„Die Sonne, Jean. Ist sie nicht anders als sonst?"
Jean schaute forschend zum Himmel.
„Ist sie heller, heißer geworden?"
„Ja, das ist sie. Vielleicht liegt es daran, daß kein Wind geht und die Luft klarer ist als sonst. Es ist Mittag. Dann die Felsen!
Sie speichern die Hitze noch besser als der Sand." Er schüttelte den Kopf. „Kann ja sein, daß ich mich täusche, aber dann frage ich dich: Wo ist der Kerl geblieben, der eben noch auf uns geschossen hat?"
„In den Höhlen", meinte der Legionär.
Plafond mußte zugeben, daß die Antwort nicht dumm war.
Erst wenn sie die Höhlen durchsucht hatten und den Deserteur nicht fanden, war wieder Zeit für magische Betrachtungen.
Nicht daß Plafond an Zauberei oder Wunder geglaubt hätte...!
Die Höhlen waren ausnahmslos klein, übersichtlich und leer.
Keine Spur von dem Deserteur!
Er war verschwunden, einfach verschwunden.
Jean ging und holte die beiden anderen Soldaten. Im Schatten der Felsen kamen sie zusammen und ruhten sich aus.
Immer wieder sah Plafond hinauf zu der veränderten Sonne, die sich noch keinen Millimeter von der Stelle gerührt zu haben schien. Sie stand nicht genau senkrecht über ihnen, aber das konnte sie auch nicht. Der Äquator lag weiter südlich, das wußte sogar Sergeant Plafond, der Bauernsohn aus der Provence.
Aber die Sonne wanderte, das wußte er.
Diese hier wanderte nicht!
Seit zwei Stunden hatte sie sich nicht vom Fleck gerührt.
Stand die Zeit still?
Er sah auf die Uhr. Es war Nachmittag geworden, und längst schon mußte die Sonne mehr im Westen stehen. Sie tat es aber nicht.
Panik ergriff ihn, als ihm eine längst vergessene Geschichte einfiel, die er einst in der Schule gehört hatte. Sie hatte auch etwas mit der Sonne zu tun, die nicht untergegangen war und so eine Schlacht entschieden hatte. Gab es so etwas denn wirklich?
Er begann zu frieren, obwohl die Hitze nicht nachgelassen hatte.
„Wir müssen zurück
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