0524 - Die Welt der Ewigen
Unsichtbare warf nicht einmal einen Schatten…
»Warum hast du ihn losgelassen?« fragte Zamorra heiser.
»Du hast gut reden!« fauchte sie ihn an. »Du hast den Schlag ja nicht kassiert, den er mir verpaßt hat… da!« Und sie zeigte auf die Stelle an ihrem Körper, wo sich ein Bluterguß zu zeigen begann. »Ich habe ihn nicht einmal erkennen können. Ich weiß nicht, wie er aussieht. Ich konnte ihn nur für einen Augenblick sehen, dann war er auch schon wieder verschwunden. Aber es ist auf jeden Fall ein sehr körperliches Wesen.«
»Glaube nicht«, sagte Roca El Nar auf französisch. »Theaterspiel. Nicht Unsichtbarer. Nur Eindruck!«
Das klappt ja immer besser, dachte Nicole sarkastisch. Wie bringt der Bursche es fertig, unsere Sprache so schnell zu lernen und dabei Vokabeln zu verwenden, die weder Zamorra noch ich hier benutzt haben?
Sollte es etwas damit zu tun haben, daß Nicole seine Gedanken nur verschwommen und fragmenthaft wahrnehmen konnte?
Wütend funkelte sie ihn an und verwendete trotzdem lieber Altgriechisch, um sicher verstanden zu werden: »Siehst du den Befehlshaber eurer Unterdrücker, Nar?«
»Natürlich nicht. Er ist nicht hier.«
»Aber du zweifelst nicht an, daß es ihn gibt?«
»Es gibt ihn.«
»Dann, verdammt, frage ich dich, warum du die Existenz des Unsichtbaren nicht wahrhaben willst! Nur, weil du ihn nicht gesehen hast? Den Befehlshaber der Unterdrücker siehst du ja auch nicht und zweifelst trotzdem nicht an seiner Existenz!«
»Das ist etwas ganz anderes!«
»Es war einer hier«, sagte Sira plötzlich. »Ich weiß nicht, ob er noch in der Nähe ist. Als Duval nach ihm griff, konnte ich ihn nicht sehen, aber fühlen. Er ist etwas völlig Fremdes in dieser Welt, fremder als die Unterdrücker.«
»Vielleicht eine neue Waffe. Sie machen ihre Leute unsichtbar«, überlegte eine der Thar-Frauen. »Auf die Weise könnten sie ausspionieren, was wir gegen sie unternehmen wollen.«
»Nein«, keuchte der Ewige. Er versuchte sich aufzurichten; sein Gesicht war fahl, verzerrt und schweißüberströmt; er atmete keuchend. Seine Hände tasteten bei dem Versuch, sich aufzustützen, durch faulige, stinkende Pflanzenreste. »Der Unsichtbare gehört nicht zu uns, genauso wie diese beiden da. Der Unsichtbare verfolgt mich. Er will mir schaden. Er sabotierte unsere Technik, und mir gab man die Schuld. Ich…«
Er verstummte. In diesem Moment erst schien er zu begreifen, mit wem er es zu tun hatte: Mit Thars, mit Gegnern! Feinde, die ihn allein deshalb töten würden, weil seinesgleichen ihr Volk versklavten!
Zamorra rupfte ein paar Grashalme aus. Sie blieben heil, verfaulten nicht innerhalb weniger Augenblicke zwischen seinen Fingern…
Was war das für ein Spuk? Warum trat er immer nur sporadisch auf?
Aufenthalt und Erscheinungen auf diesem Planeten gefielen Zamorra immer weniger. Warum mußten sie bei allem, was sie in Angriff nahmen, immer in irgendeinen Hexenkessel geraten? Schön, die Untätigkeit im Château Montagne hatte er, an Abenteuer und Streß gewöhnt, auch nicht mehr ausgehalten. Aber mußte es gleich so dick kommen?
Sira hob die Hand. »Wer auch immer dieser Unsichtbare ist«, griff sie das Thema wieder auf, »er hat sich nicht offen gegen uns gestellt. Es spielt auch keine Rolle, ob er zu den Unterdrückern gehört oder nicht - woran ich nicht glaube. Er hätte nichts unversucht gelassen, seinen Artgenossen zu befreien.« Dabei deutete sie wieder auf den Ewigen. »Wie auch immer, zumindest mit diesem Unterdrücker haben wir ein Druckmittel gegen die Sklavenhalter, wie es geplant war. Du«, sie deutete auf Zamorra, »wirst den Ewigen die Botschaft bringen, daß wir die Geisel töten werden, wenn sie unsere Welt nicht verlassen. Und du wirst ihnen auch sagen, daß wir jeden von ihnen einzeln zu uns holen und töten können, wenn wir es wollen. Sie müssen gehen, oder sie werden sterben. Die Zeit der Unterdrückung ist vorbei. Das wirst du ihnen sagen.«
»Das ist unmöglich«, keuchte der Ewige. »Ihr werdet in einem einzigen Feuerschlag vernichtet werden! Unsere Waffen…«
»Ihr müßt uns dazu erst finden. Wir gehen neue Wege, die ihr noch nicht kennt«, erwiderte Sira gelassen. »Ihr werdet nicht ganz Tharon zerstören. Ihr braucht diese Welt, sonst wäret ihr nicht hier. Es ist vorbei, ihr werdet weichen oder sterben.«
»Ewige sterben nicht«, murmelte der Schwarzhaarige.
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Hör zu, Sira«, sagte er unbehaglich. »Ich kann euch
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