053 - Der Brigant
sich, als er sie sah. Aber er war sehr zufrieden mit Anthony, denn der »Geistliche« sah ganz echt aus. Er hatte einen Schnupfen und war erkältet, genau wie die richtigen Landpfarrer. Seine Gewänder waren etwas alt und abgetragen und seine Finger steif vor Kälte. Offensichtlich langweilte ihn die ganze Geschichte.
Mr. Lammer-Green paßte genau auf, schaute immerfort Anthony an und sagte auch richtig »Ja«, als die Zeremonie so weit gediehen war. Mit heiserer, kaum vernehmlicher Stimme murmelte er die Trauungsformel, als ihre beiden Hände vereinigt waren.
Als das glückliche junge Paar in die Sakristei ging, nahm Anthony Sir Joshua beiseite.
»Es tut mir leid, daß ich jetzt schon gehen muß«, sagte er. Sir Joshua nahm einen Scheck aus seiner Westentasche und überreichte ihn Anthony.
»Ich sah draußen zwei Wagen warten - einer davon ist wohl der Ihrige?«
»Es ist ein Mietauto«, erwiderte Anthony lakonisch. »Ich nehme immer Mietautos, wenn ich schnell fortkommen will.«
Sir Joshua eilte in die Sakristei und kam noch zur rechten Zeit, um dem ersten Familienstreit beizuwohnen, dem noch viele folgen sollten.
»Dein Name ist John Lammer-Green«, rief die neugebackene junge Frau mit schriller Stimme. »Das ist der Name, auf den die Heiratslizenz ausgestellt ist, und das ist der Name, auf den du geheiratet hast. Nun sei doch nicht verrückt!«
Mr. Lammer-Green verfärbte sich, und seine Hand zitterte beim Schreiben. Er hatte die Watte aus den Ohren genommen und konnte jetzt sehr gut hören. Er starrte entsetzt auf den Pfarrer.
»Entschuldigen Sie eine Frage ... sind Sie wirklich ein Geistlicher?«
Der andere nickte.
»Ich bin der Kurator der St.-Margareten-Kirche.«
Der Bräutigam machte ein langes Gesicht.
»Dann bin ich ja wirklich ... verheiratet?«
»Aber natürlich ... Sie haben auf eine besondere Lizenz hin heiraten können. - Ihr Freund hat alles arrangiert.«
Mr. Lammer-Green atmete schwer.
»Nein, der war nicht mein Freund«, stöhnte er, »er war wirklich nicht mein Freund!«
11. KAPITEL
Kato
Mr. Newton hatte den Grundsatz, eine Räuberei auf möglichst höfliche Weise auszuführen, um vollen Erfolg zu haben. Nur einmal in seinem Leben wich er hiervon ab und ließ sich zu einer unbesonnenen Gewalttat verleiten. Aber die Erinnerung an den Japaner Kato ging noch jahrelang wie ein furchtbares Schreckgespenst durch seine Träume.
Der Einbruch war von Anfang an ein böser Irrtum gewesen, und Anthony hätte beinahe in jungen Jahren weiße Haare bekommen. Sollte er jemals seine Autobiographie schreiben, so würde er wahrscheinlich Mr. Poltue und seinen großen Smaragden vollkommen unerwähnt lassen; auch von Kato, der seinen Herrn so bitter haßte, würde er nichts sagen.
Die Geschichte beginnt damit, daß an einem Frühlingsmorgen zwei Herren an der Rotten Row Promenade im Hyde Park saßen und die eleganten Leute an sich vorüberziehen ließen. Sie waren beide tadellos gekleidet und gehörten anscheinend zu der Klasse jener vornehmen Müßiggänger, die man jeden Morgen im Hyde Park antreffen kann. Ihr einziges Interesse schien darin zu bestehen, die Menschen zu beobachten.
Sie hatten ihre Stühle von den anderen so weit abgerückt, daß sie sich ungestört unterhalten konnten und nicht fürchten mußten, daß andere Leute ihr Gespräch belauschten.
Anthony Newton klemmte sein Monokel ins Auge, was sonst nicht seine Gewohnheit war, rückte den Zylinder etwas tiefer ins Gesicht und legte dann ein Bein über das andere. Weder er noch sein Begleiter machten den Eindruck von Briganten.
»Dort kommt unser Mann, Bill«, sagte Anthony und zeigte mit dem Kopf leicht nach der Richtung, wo ein großer, stattlicher Herr langsam vorbeiritt. »Das ist der ungeheuer reiche Millionär Poltue, der aus Japan zurückgekommen ist.«
»Ich wußte gleich, als ich ihn sah, daß er ein großes Vermögen haben muß«, erklärte Bill. »Er sieht nämlich so verflucht uninteressant und dumm aus.«
Anthony nickte.
»Mein Plan gegen ihn wird sich ausführen lassen«, meinte er.
»Ich habe ein künstlerisches Empfinden und kann einen fetten Millionär nicht auf einem schönen Araberhengst sehen, ohne daß sich meine bösen Instinkte regen. Damit sich aber dein Gewissen nicht wieder meldet, will ich dir von vornherein sagen, daß Mr. Poltue das Schicksal wohl verdient, das ihn nächstens treffen wird.«
Bill Parrel wandte sich plötzlich um.
»Was, ich soll ein Gewissen haben?« protestierte er heftig.
»Nun
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