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053 - Der steinerne Dämon

053 - Der steinerne Dämon

Titel: 053 - Der steinerne Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John E. Muller
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erfaßten die Blätter des Immergrün zu beiden Seiten. Schließlich hielt der Wagen im geschotterten Vorhof, und der Fahrer öffnete Lanas Tür. Er sprach noch immer nicht, sondern nickte nur, lächelte und deutete auf die Eingangstür.
    Nervös stieg Lana aus. Wieder zog der Fahrer dreimal an einem schweren, eisernen Glockenstrang. Eine dumpfe Glocke läutete im Innern des Hauses.
    Lana zitterte. Sekundenlang schien der Koffer in ihrer Hand im Gleichklang mit der Glocke zu vibrieren. Lana sah hinter dem Fahrer her, der wieder in den Wagen stieg und langsam auf ein Gebäude zufuhr, das so aussah, als hätte man Ställe zu einer Garage umgebaut. Die Nacht schien sie einzuhüllen, als die Lichter des Wagens in der Garage verschwanden. Sie schmiegte sich an die Tür, wie ein Küken unter die Flügel der Mutter, doch die dicken, schwarzen Eichentüren boten keinen mütterlichen Schutz.
    Schritte näherten sich. Riegel wurden zurückgeschoben, und ein Schlüssel drehte sich im Schloß. Quietschend öffnete sich die schwere Tür.
    Lana trat über die Schwelle in die Halle. Ein Mann tauchte auf, lächelte, verbeugte sich leicht und schloß hinter ihr die Tür.
    „Sie müssen Miß Davis sein?“
    Beim Klang seiner dröhnenden Stimme fuhr sie zusammen.
    „Ja.“ Er war ebenfalls ein wahrer Koloß. Die Muskeln seiner breiten Schultern zeichneten sich unter dem weißen Kittel ab. Er wirkte wie ein Schmied oder Freistilringer, jedenfalls nicht unbedingt wie ein Pförtner.
    Lana schaute ihn an und wartete, was jetzt geschehen würde.
    „Ich will sehen, ob Dr. Bollinger frei ist“, sagte der Mann. „Würden Sie mir, bitte, folgen!“
    Lana ging hinter dem Riesen über einen wunderbar glänzend gebohnerten Kunststoffboden zu einem Gang im Hintergrund der Halle, bis zu einer Tür, auf der Direktor stand.
    Die riesige Faust des Pförtners klopfte dreimal gegen die Tür, und seine laute Stimme dröhnte: „Miß Davis ist da, Doktor!“
    „Kommen Sie herein!“
    Die Stimme von drinnen wurde zwar durch die schwere Eichentür gedämpft, klang aber scharf; sie machte den Eindruck, als ob sie gewohnt wäre, Befehle zu erteilen, denen sofort Folge geleistet wurde.
    Der Pförtner öffnete die Studiotür und ließ Lana eintreten.
    „Soll ich sofort an meinen Platz zurückgehen, Doktor?“
    „Ja.“
    Die Antwort war kurz, und Lana fühlte ein gewisses Unbehagen in sich aufsteigen. Sie mochte keine Menschen, die kurze Befehle gaben und schaute nun den Mann hinter dem Schreibtisch an.
    Eigentlich hatte sie einen weiteren Hünen erwartet, aber dieser Mann war zwar groß, bei weitem jedoch kein Riese oder Schwerathlet. Seine kühlen hellgrauen Augen verrieten Zielstrebigkeit und Zähigkeit. Sein zerfurchtes Gesicht schien nicht vom Alter, sondern durch seinen Charakter geprägt. Seine tiefdunklen, fast blauschwarzen Haare, die sich schon etwas lichteten, gaben ihm das Aussehen eines Helden von Byron. Sein klares, gut geschnittenes Gesicht wirkte wie geschnitzt. Seine Persönlichkeit hatte etwas fast Hypnotisches.
    Er streckte ihr eine Hand entgegen, die sie ziemlich nervös schüttelte.
    „Ich freue mich, daß Sie kommen konnten. Ich bin Dr. Bollinger.“
    „Lana Davis.“ Sie lächelte.
    „Ich muß sagen, Sie sehen tüchtig aus. Und wenn Sie mir die Wahrheit über Ihre Zeugnisse gesagt haben, sind Sie geeignet für den Job. Aber bevor wir weiter reden, wäre es wohl nur fair, Ihnen offen zu sagen, um was für eine Institution es sich hier handelt.“
    „Bitte, ja. Ich bin nämlich reichlich nervös.“
    „Und das nicht ohne Grund. Aber Sie sind wenigstens ehrlich. Ich will von vorn beginnen.“
    Er stand auf, durchquerte den Raum, stellte sich mit den Händen auf dem Rücken ans Fenster und starrte in den dunklen Garten hinaus. Dann fing er an zu reden. „Manchmal begeht die Natur einen Fehler.“
    Sie wußte nicht, ob sie zustimmen oder schweigen sollte. Dann war sie froh, sich für das letztere entschieden zu haben, denn er fuhr fort, als ob er sich ihrer Gegenwart gar nicht bewußt wäre.
    „Einen Fehler“, wiederholte er bitter und fast ironisch. „Das schafft Probleme und Tragödien.“
    Er drehte sich um und schaute sie an.
    „Ich verstehe nicht.“
    Lana wollte nicht verstehen. Tief im Herzen sträubte sie sich dagegen.
    „In diesem Landhaus leben – eingeschlossen in dicke Zellen – Geschöpfe, die weder Mensch noch Tier sind. Schon beim Anblick ihrer Fotos würden sich Ihnen die Haare sträuben. Ich könnte Ihnen

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