0534 - Der Unsichtbare
hätte, wäre Raffael der erste, der es gemerkt hätte.«
»Vielleicht benötigt er keine Nahrung«, gab Zamorra zu bedenken. »Zumindest nicht in der Form, wie wir es verstehen. Vampire ernähren sich auch nicht unbedingt von Brot, Käse und Wein.«
Nicole zuckte mit den schmalen Schultern. »Wie auch immer, er war hier. Und er scheint auch die Regenbogenblumen zu benutzen. Einen ähnlichen Fußabdruck fand ich zwischen den Blumen, als ich anschließend nachschaute. Allerdings nur einen einzelnen. Gerade so, als könne der Bursche schweben und hätte nur einmal eher zufällig den Boden berührt.«
»Oder«, überlegte Zamorra, »er ist dermaßen schnell in seinen Bewegungen, daß er den Blumen seine Zielvorstellung schon übermittelt, wenn er noch nicht ganz zwischen ihnen ist. Daß er einfach schneller denkt als wir und deshalb auch schneller transportiert wird - noch ehe er den zweiten Fuß auf den Boden setzt.«
»Was können wir tun?« fragte Nicole. »Ich habe nämlich kein sonderlich großes Interesse daran, daß sich dieses Wesen heimlich im Château herumtreibt. Wenn dieser Unsichtbare schon hier seine Basis einrichtet, dann sollte er sich uns auch zeigen. Tut er es nicht, zeigt er damit, daß er ein Gegner ist.«
»Bist du sicher, daß du das nicht zu vereinfachend siehst?« fragte Zamorra.
»Absolut sicher. Wenn er es ehrlich meint, braucht er sich nicht zu verstecken und nicht zu erschrecken, womit ich vor allem Patricia meine. Warum zeigt er sich uns nicht einfach?«
»Vielleicht kann er es einfach nicht«, gab Zamorra zu bedenken. »Möglicherweise ist er von Natur aus unsichtbar.«
Nicole schüttelte den Kopf. »Selbst dann hätte er Möglichkeiten, sich uns bemerkbar zu machen. Ich traue diesem Unsichtbaren nicht über den Weg, und ich vermute langsam auch, daß er von Tharon stammt und uns hierher gefolgt ist.«
»Du hältst ihn für eine Gefahr.«
Nicole nickte. »Zumindest solange, wie wir nichts über ihn wissen. Wir sollten ihm eine Falle stellen. Damit können wir ihn zu einem Gespräch zwingen und wissen dann, ob er Freund oder Feind ist.«
»Vielleicht sieht er selbst so eine Falle als feindschaftlichen Akt«, warnte Zamorra.
»Ich denke, daß wir dieses Risiko eingehen können«, erwiderte sie. »Wenn wir anschließend miteinander reden können, der Unsichtbare und wir, lassen sich Mißverständnisse relativ schnell aus der Welt schaffen.«
»Sofern er menschlich denkt.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Abwarten«, empfahl sie. »Wahrscheinlich ist er aber so oder so unser Gegner. Auf Tharon hat er sich meinem Griff sehr schnell und radikal wieder entwunden. Und irgendwie habe ich es auch im Gefühl. Er wird nicht unser Freund sein.«
»Reden wir mit Patricia darüber. Sie sollte gewarnt sein.«
»Abgelehnt«, protestierte Nicole. »Willst du sie verunsichern? Ich zumindest werde ihr von dieser Spur ebensowenig erzählen wie von dem Unsichtbaren auf Tharon. Wir haben sie hierher geholt, damit sie sich sicher fühlen kann! Bisher hat der Unsichtbare sie nicht angegriffen, warum sollte er es also in der nächsten Zukunft tun?«
»Einverstanden«, sagte Zamorra nach kurzem Nachdenken und fuhr fort: »Sag mal… hast du schon einmal daran gedacht, daß dieser Unsichtbare kein Einzelgänger sein könnte?«
***
Es war Zufall, daß Pierre Robin von dem Einbruch hörte. Ein Fall für die Mordkommission war es auf keinen Fall, und es hatte sich auch nicht in Lyon abgespielt, sondern in Clermont-Ferrand. Zwei Kollegen in Uniform, die es im Streifenwagen per Funk mitbekommen hatten, unterhielten sich in der Kantine darüber, und Robin hörte zu.
In einem Kostümverleih war eingebrochen worden, und jemand hatte mehrere Vollmasken gestohlen, die den gesamten Kopf umschlossen.
Bei Robin schlug eine Alarmglocke an.
Er war für Morde zuständig, und hier hatte es keinen Mord gegeben, abgesehen davon, daß der Einbruch sich nicht in seinem Zuständigkeitsbereich abgespielt hatte. Aber bei drei ungeklärten Mordfällen war auch gestohlen worden, und das auf absolut verrückte Weise. Einmal nur eine Walther-Pistole, obgleich der Beutel mit den Juwelen ungleich wertvoller gewesen wäre. Dann die Kleidung eines Mannes, und schließlich ein Auto.
Jetzt waren es Masken aus einem Kostümverleih!
»Bis zum nächsten Karneval dauert es doch noch eine Ewigkeit«, hatte sich einer der uniformierten Kollegen gewundert und staunte dann noch mehr, als Robin sich einmischte und wissen wollte, wo in
Weitere Kostenlose Bücher