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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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noch immer, ins Feuer starrend, vor dem Kamin, und Therese steht wie eine Statue hinter ihm. Als Bernard und Djalli auf der Galerie erscheinen, heben sie den Kopf, und in ihren Gesichtern drückt sich maßloses Erstaunen aus, als sähen sie Gespenster. Therese geht ihnen bis zum Fuß der Treppe entgegen.
    „Fräulein Djalli!“
    Sie will ihre. Hand ergreifen, aber das Mädchen stößt sie schroff zurück.
    „Du weißt genau, daß du nicht darfst.“
    „Und er?“
    „Ich liebe ihn, ich will, daß er entkommt, deshalb ist das unwichtig.“
    Wilhelm ist aufgesprungen, mit haßverzerrtem Gesicht geht er auf sie zu.
    „Nein.“
    Djalli lacht, dann sagt sie gebieterisch: „Du wirst ihn hinausführen, dadurch ändert sich nichts, und morgen kommt er wieder.“
    „Das geht nicht.“
    „Ich befehle es dir.“
    „Fräulein Djalli!“
    Seine Stimme klingt verzweifelt. Nur die alte Therese scheint befriedigt, bösartig befriedigt. Sie lacht höhnisch, während sie zum Tisch geht.
    „Also wird Tristan nicht wiederkommen … Tristan.“
    Beschwörend hebt Wilhelm die Arme zu Djalli auf.
    „Es ist doch Ihr Vater, Fräulein Djalli, Ihr Vater!“
    „Das ist mir gleichgültig.“
    Ein irres Lachen kommt aus ihrer Kehle, und zum erstenmal ist Bernard wirklich überzeugt, daß sie geistesgestört ist.
    Sie schreit: „Wenn du nicht gehorchst, gehe ich nicht in die Kapelle, sondern mit ihm zurück ins Turmzimmer.“
    Wilhelm läßt den Kopf sinken. Djalli geht an ihm vorbei und zieht Bernard mit sich. Sie hat sich schlagartig verändert. Mein Gott, wie blaß sie geworden ist, leichenblaß … glanzlos ihre blonden Locken … ihre Wangen fallen ein, ihre Augen haben schwarze Ringe, ihre Hände wirken wie verdorrt. Es ist, als sei sie um fünfzig Jahre gealtert – oder hat er sie etwa nicht so gesehen, wie sie war?
    „Dreh dich um“, sagt Djalli mit rauher Stimme, „du hast mir versprochen, nie an meinen Anweisungen herumzumäkeln. Du darfst mich nicht mehr anschauen.“
    Er gehorcht, weniger aus Fügsamkeit als aus Entsetzen, weil die Erscheinung plötzlich unerträglich ist. Ob er anfangen wird, zu begreifen? Die Lösung des Geheimnisses scheint in Reichweite zu sein.
    Nun redet Djalli weiter: „Sobald ich auf der Galerie bin, begleitest du ihn zum Portal, Wilhelm, danach gehe ich in die Kapelle. Verstehst du mich? Ich rühre mich nicht von der Stelle, bevor er nicht draußen ist. Es würde für euch beide schlimm ausgehen.“
    Ihre Stimme bekommt einen gefährlich drohenden Ton: „Wohlgemerkt, ich werde den Hunden sagen, sie sollen zurückkommen.“
    „Nein“, schreit Therese auf, mit einem Entsetzen, das Bernard zu Eis erstarren läßt. „Was macht es dir schon aus, Wilhelm? Wir wissen ja auch nie, ob wir Tristan finden werden.“
    „Sie können nicht hierbleiben, Fräulein Djalli“, sagt Wilhelm.
    „Ich weiß. Also, du hast mich verstanden?“
    Der Riese stößt einen Seufzer aus: „Ja.“
    „Und morgen läßt du ihn wieder ein. Du zeigst ihm den Friedhof, die Kapelle, du führst ihn ins Arbeitszimmer meines Vaters und läßt ihn dort allein.“
    „Ja.“
    Die Treppenstufen knarren. Djalli steigt hinauf. Bernard hat plötzlich das Gefühl, daß er sich nun umdrehen darf, und er ruft: „Djalli?“
    „Du kannst mich anschauen, Liebster.“
    Sie steht droben auf der Galerie, auf das Geländer gelehnt. Er muß sich vorhin getäuscht haben, denn nun sieht er das strahlend junge Mädchen wieder, das er geliebt hat.
    „Bis morgen, Bernard.“
    „Bis morgen.“
    Wilhelm tritt zu ihm.
    „Kommen Sie, wir haben lange genug gewartet.“
    Bernard nimmt seinen Mantel und Schal auf, die auf einem Schemel neben dem Kamin liegen, und folgt Wilhelm.
    Wieder der feuchte, muffig riechende Flur, die kalte Zugluft. Bernard hat das Gefühl, zu erwachen. Die Flamme der dicken Kerze, die der Riese trägt, flackert, er schützt sie mit seiner mächtigen Hand, und das Halbdunkel ist nicht mehr anormal, es ist die Morgendämmerung. Man könnte meinen, diese Nacht ende genau in dem Augenblick, den Djalli bestimmt hat.
    „Wilhelm, Sie müssen mir sagen …“
    „Nichts.“
    Sie gelangen zur schweren Tür, die nach draußen führt.
    „Ich möchte aber wissen …“
    „Gehen Sie, machen Sie sich davon. In einer Stunde können Sie wiederkommen – wenn Sie den Mut haben.“ „Aber ich werde wiederkommen.“ „Das ist nicht so sicher. Wenn Sie erst draußen sind, wird Sie die Angst überkommen, eine ganz gemeine Angst.“
    Er

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