0581 - Die Geistermutanten
Chefoperateur des Rechenzentrums. Wenn dieser den Kode als gültig anerkannte, dann nahm die Abfertigung des Antrags ihren Fortlauf.
Mit anderen Worten: Eldor Savrin hatte, ohne sich dessen bewußt zu sein, eine Routine geschrieben, mit deren Hilfe er von seinem Labor im Rechenzentrum aus einer zum Empfang eines Ausweises nicht berechtigten Person eine ID-Karte ausstellen konnte.
Diesmal begann er, ernsthaft an seinem Verstand zu zweifeln.
Bivar Onrain kam ihm wieder in den Sinn. Aber Onrain hatte einen Ausweis. Er war durch seine Unterlagen, Zeugnisse und was sonst noch völlig legitimiert. Er hatte keinen Grund, seinen Vorgesetzten zu hypnotisieren und zum Verfassen eines derart gesetzwidrigen Rechenprogramms zu veranlassen. Onrain war es also nicht.
Wer sonst?
Eldor Savrin erinnerte sich an die merkwürdige Erscheinung, die er gesehen hatte, als er von der Kontrollkonsole im Felsenkessel aufstand. Savrin gehörte zum Kreis der gehobenen Regierungsbeamten. Er wußte von der Flucht des Mutanten Ribald Corello. Dessen vorerst noch nebelhafte Verbindung mit der Herstellung von acht synthetischen Menschen in einer alten, unterseeischen Forschungsstation der Lemurer war ihm ebenfalls bekannt. Er wußte, daß sämtliche Organe der Regierung, allen voran die Solare Abwehr unter Galbraith Deighton, nach Corello und den acht Synthos suchten.
Trotzdem hatte er seine Beobachtung bisher für sich behalten.
Laurel Karo, so sachverständig er auch sein mochte, war ihm diesmal keine Hilfe gewesen. Nach Karos Ansicht war er völlig normal; nach seiner eigenen jedoch war er es nicht, und was er gesehen hatte, mochte eine Halluzination gewesen sein, hervorgerufen durch die Häufung von vertraulichen und geheimen Nachrichten, die sich mit dem Verschwinden des Mutanten und der acht Synthos befaßten.
So wenigstens hatte er bis vor kurzem geglaubt. Jetzt war er seiner Sache nicht mehr sicher. Wenn Ribald Corello tatsächlich mit den acht Synthos in Verbindung stand, und wenn es den acht synthetisch erzeugten Wesen darum zu tun war, sich auf der Erde frei bewegen zu können - wozu sie einer ID-Karte bedurften - dann war es in der Tat sogar plausibel, daß Corello und seine Schützlinge, oder wie man sie sonst nennen wollte, sich geradewegs nach Sayn Shanda begeben hatten, um sich dort zu holen, was man ihnen andernorts nicht geben wollte. In diesem Falle wäre es wirklich Ribald Corello gewesen, den er unten in der Felsenhalle gesehen hatte, und nicht ein Phantasiegebilde.
Es war beobachtet worden, daß Corello über teleportative Fähigkeiten verfügte; also ließ sich auch sein spurloses Verschwinden leicht erklären.
Während dieser Überlegungen war Eldor Savrin aus dem Schlafzimmer wieder in die Küche gewandert. Die erste Aufregung hatte sich gelegt. Er war immer noch verwirrt, aber er wußte, was er zu tun hatte. Er mußte die Behörden wissen lassen, was er beobachtet hatte. Er mußte ihnen mitteilen, daß er selbst, der leitende Beamte des Zentralamtes für Statistik, nicht mehr verläßlich war, sondern unter hypnotischem Einfluß stand und demzufolge sein Amt nicht mehr ohne Überwachung versehen konnte. Vor allen Dingen: Er durfte keine Zeit verlieren.
Was er zu sagen hatte, mußte sofort gesagt werden.
Auf dem Weg zu seinem privaten Arbeitszimmer, in dem der Telekomanschluß installiert war, kam es ihm vor, als hörte er aus dem Vorraum ein kratzendes Geräusch. Er wandte sich um und trat in den Flur hinaus. Dort schien alles in Ordnung zu sein. Die Tür war verschlossen, und die Warnanzeige der elektronischen Verriegelung blinkte grün. Savrin schüttelte den Kopf und schickte sich an, ins Arbeitszimmer zurückzukehren.
Da hörte er hinter sich die Worte: „Einen kleinen Augenblick, alter Mann. Ich möchte ein paar Worte mit Ihnen reden!"
Savrin wirbelte herum. Am anderen Ende des Flures stand ein Mann, der kaum größer sein mochte als er selbst; dafür war er aber wenigstens doppelt so breit. Sein Gesicht wirkte grob geschnitten, als sei dem Schöpfer bei der Formung seiner Züge schon nach dem ersten Versuch die Geduld ausgegangen. Er war von mittlerem Alter und personifizierte, alles in allem, den Menschentyp, dem Eldor Savrin instinktiv aus dem Weg gegangen war, soweit er sich zurückerinnern konnte.
„Wer sind Sie?" fragte Savrin grob. „Und wie kommen Sie hier herein?"
Der Breitschultrige grinste überlegen.
„Ganz einfach", antwortete er mit knarrender Stimme. „Ihr Schloß ist nicht besonders
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