0583 - Schädeltanz am Hudson
den Wagen. Die Tür drückte sie vorsichtig ins Schloß. Die Frau hätte sich eine Jacke überziehen sollen. Vom Hudson her wehte ein kühler Hauch, der rasch durch den dünnen Stoff des Pullovers drang. Sie fror.
Es roch nicht gut.
Nach altem Wasser, nach Öl und Gewürzen, die ich nicht identifizieren konnte.
»Alles klar?« fragte ich.
Sie lächelte. »Bis jetzt.«
»Hier scheint niemand zu sein«, bemerkte Bill, der sich umgeschaut hatte.
Roxie lachte ihn leise aus. »Ich hätte dich für schlauer gehalten. Auch wenn du niemanden siehst, mein Junge, sie sind vorhanden, das kann ich dir versprechen. Sie sind da, sie lauern, sie warten, sie halten uns unter Kontrolle, denn sie haben uns längst entdeckt. Die Westsider haben tausend Augen und Ohren.«
»Müssen wir mit einem Hinterhalt rechnen?« erkundigte ich mich.
Sie breitete die Arme aus. »Ich bin mir nicht sicher. Zudem haben wir sie durch mein Kommen verunsichert. Sie kennen mich. Jetzt wissen sie nicht, was sie von mir halten sollen. Hoffentlich stufen sie mich nicht als Verräterin ein. Die Strafe wäre furchtbar.«
Ich fragte nicht nach, was diese Leute tun würden, sondern erkundigte mich, wo wir hingehen würden.
»Auf den Pfeiler zu.«
»Sind sie dort?«
»Ja, da versammeln sie sich. Wundere dich nicht, wenn gleich etwas geschieht.«
Es passierte schon nach wenigen Schritten. Urplötzlich erhellten Feuerinseln die Dunkelheit. Drei kleine Feuer brannten nahe des Pfeilers und warfen ihr zuckendes Licht auf die metallene Konstruktion. Die Flammen schienen sich bis in den Himmel zu recken, doch ihre Spitzen brachen schon kurze Zeit später zusammen.
Wie gezeichnete Figuren malten sich die Gestalten der Menschen ab. Sie hockten oder standen um die Feuer herum. Lautlos waren sie aus der Tiefe der Dunkelheit erschienen, ein Anblick, der mich nicht gerade optimistisch stimmte. Ich kam mir plötzlich vor wie ein Soldat im Feindesland.
»Laßt es mich machen«, flüsterte Roxie. »Ich werde mit den Caribiens reden.«
»Gern.«
Wir ließen sie vorgehen. Bill blieb dicht an meiner Seite. »Das gefällt mir nicht, John.«
»Frag mich mal.«
»Eine Falle?«
Ich nickte. »Dieser Doc wird längst erfahren haben, wer da gekommen ist.«
»Aber Schädel habe ich keine gesehen.«
»Keine Sorge, die werden schon noch kommen, um uns zu begrü ßen.«
»Darauf kann ich verzichten.«
Wir hatten die Distanz zu den im Dreieck angelegten Feuerstellen so weit verringert, daß wir jetzt Einzelheiten erkennen konnten, die sich immer stärker aus der durch Licht und Schatten schwankenden Szenerie hervorschälten.
Die Gestalten verhielten sich nicht uniform. Einige von ihnen standen, sie hatten abwartende, manchmal lässig wirkende Haltungen eingenommen. Andere wiederum hockten am Boden ohne sich zu rühren. Sie starrten mit unbewegten Gesichtern in die Feuer. Nur der Flammenschein gab ihnen einen gewissen Ausdruck, der allerdings sehr künstlich wirkte.
Wenn mich meine Augen nicht täuschten, so hatte ich es durchweg mit Farbigen zu tun.
Als ich die Männer sah, dachte ich wieder an die Voodoo-Fälle, die ich erlebt hatte. Ein Wort kam mir in den Sinn: Macumba!
Es war der Geist des Voodoo, eine gefährliche Strömung, die unsichtbar über den schwarzmagischen Ritualen lag und ihnen die entsprechende Kraft gab.
In London hatten wir den Geist in all seiner Grausamkeit kennengelernt. Da war er in den Körper eines beinlosen Schwarzen hineingefahren und diesen so gestärkt, daß der Mann es sogar mit der Mafia hatte aufnehmen wollen.
Was uns und der übrigen Polizei nicht gelungen war, hätte Macumba fast geschafft, die Mafia und ihren Anführer Logan Costello zu Boden zu drücken und selbst die Kontrolle zu übernehmen. Wir hatten es im letzten Augenblick verhindern können. [3]
»Wohl fühlst du dich nicht – oder?« fragte Bill. Wir waren stehengeblieben, denn auch unsere Führerin ging nicht mehr weiter.
Roxie drehte sich um. »Sorry«, sagte sie, »aber ich muß ihre Regeln akzeptieren.«
»Das verstehen wir«, flüsterte ich. »Was kannst du uns denn sagen?«
»Es ist schwer.«
»Sind es diejenigen, die sich für das Erscheinen der Schädel verantwortlich zeigen?«
»Ja, denn sie sitzen nicht jede Nacht zusammen. Wenn sie sich treffen, muß das einen besonderen Grund haben.«
»Die wollen die Entscheidung«, murmelte Bill, »und wahrscheinlich gleichzeitig die Abrechnung mit uns. Ist denn dieser Doc auch unter den Kerlen?«
»Ich habe ihn
Weitere Kostenlose Bücher