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0583 - Schädeltanz am Hudson

0583 - Schädeltanz am Hudson

Titel: 0583 - Schädeltanz am Hudson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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River!
    Nicht zu vergleichen mit der Themse. Längst nicht so breit, wenigstens an dieser Stelle nicht und auch nicht so kurvig, dafür aber mit Piers versehen, die an dieser Seite, der Westside, wie lange Finger in den fließenden Strom hineinragten.
    Gegenüber lag New Jersey. Auch dort sahen wir die Docks, die Pier, nur stachen sie dort in das Land hinein, bewacht von hohen Masten und Kränen, die wie schlanke Raubtiere wirkten, als wollten sie jeden Augenblick zum Sprung ansetzen.
    Wir rollten durch eine tote Gegend. Das jedenfalls hatte uns Roxie erklärt, und sie kannte sich aus. Eine Landschaft, die nicht mehr lebte, denn viele Piers waren stillgelegt worden. Sie rotteten vor sich hin. Die Westside war demnach ohne Leben, und wenn ein gewisses Leben erwachte, dann im Schutz der Dunkelheit.
    Auf einer Straße rollten wir in Richtung Süden. Es war nicht der breite und teilweise auf Stelzen verlaufende Westside Highway, der links von uns lag und wie eine geisterhafte Schneestraße aus dem Jenseits wirkte, wenn die Wagen mit ihren eingeschalteten Scheinwerfern über den glatten Beton rollten.
    Wir fuhren dort, wo auch Schienen schmale Gräben in den Boden gefurcht und ihn mit ihrem Metall ausgefüllt hatten.
    »Müssen wir bis zum Lincoln Tunnel?« fragte ich nach hinten.
    »Das wohl nicht.«
    »Dann weißt du, wo sich der Doc aufhält?« wollte Bill wissen.
    Roxie lachte leise. »Wissen ist zuviel gesagt. Ich vermute es. Das Tempo kannst du beibehalten, da kann ich aus dem Fenster schauen.«
    »Ich habe nichts dagegen.«
    Der Schiffsverkehr auf dem Hudson war fast eingestellt worden.
    Ein Polizeiboot sahen wir. Daran zu erkennen, daß seine Scheinwerfer die Uferregionen bestrichen. Auch wir wurden für einen Moment erfaßt. Das Licht war so stark, daß es für kurze Zeit den Wagen ausfüllte und uns aussehen ließ wie Gespenster.
    Manchmal erinnerte mich die Umgebung an die moderne Kulisse einer Bühne. Da standen irgendwelche Kranbrücken als stählerne Giganten. Wir entdeckten auch Gestalten, die sich im Schutz dieser Gebilde zusammengekauert hatten. Da wir mit geöffneten Seitenfenstern fuhren, hörten wir die Geräusche des Hudson.
    Sein Rauschen, dazwischen mal eine dünne Stimme, ohne daß wir den Sprecher entdeckten.
    Roxie lachte leise auf. »Ihr müßt für diese Gegend gute Ohren haben. Auch wenn sie tot wirkt, sie ist es nicht.«
    »Das glaube ich.«
    »Wer verkriecht sich denn hier?« fragte Bill.
    »Diejenigen, die keiner mehr will. Die nicht einmal die Chance haben, in Löchern zu hausen wie ich. Westside-Ratten werden sie von manchen genannt. Sie haben nichts gemein mit den Personen aus dem Musical ›Westside Story‹. Nein, die nicht. Wenn hier mit dem Messer gekämpft wird, geht es ohne Romantik ab. Man sticht sich auch nicht um ein Mädchen, sondern um die nackte Existenz.«
    »Ein Nährboden für den Doc.«
    »Sicher, Bill. Hier findet er Zuhörer, die ihm lauschen. Aber die Gesellschaft ist selbst schuld. Sie hätte sich um die Caribiens kümmern sollen, anstatt sie in ein Ghetto zu stecken, wie es der Fall gewesen ist.«
    »Nun ja«, sagte ich, »das ist eine Seite, die Schädel sind eine andere. Man kann Mord nicht gutheißen, mögen sich die Motive auch noch so verständnisvoll anhören.«
    »Es ist Tradition, John.«
    »Eine verdammt gefährliche. Ich habe den Voodoo mit all seinen Schrecken erlebt. Darauf kann ich immer verzichten.« Wir fuhren jetzt an einem Wall vorbei, der auf der linken Seite lag. Tatsächlich war es ein altes Lagerhaus. Ähnliche Gebäude kannte ich auch aus dem Londoner Hafen. Viele waren verlassen, tote Gegenstände oder Überbleibsel in einer ebenfalls toten Gegend.
    »Du könntest hier irgendwo stoppen!« flüsterte Roxie vom Rücksitz her.
    »Gut.«
    Bill lachte leise. »Ich bin gespannt, wie wir den Wagen wiederfinden. Ob mit oder ohne Reifen.«
    »Risiko!« erklärte Roxie lakonisch.
    Ich rollte noch an dem Lagerhaus vorbei und sah vor mir die mächtige Konstruktion eines stählernen Pfeilers. Vielleicht hatte er mal die Stütze einer Brücke werden sollen, jedenfalls war nicht weitergebaut worden. Die Konstruktion war stehengeblieben und rostete vor sich hin. Hinter uns befand sich das Lagerhaus.
    Die Kegel der Scheinwerfer gaben der Konstruktion einen bleichen, gespenstischen Schein. Er verlor sich schließlich auf dem Pflaster des Uferareals.
    Ich löschte das Licht. Wir kurbelten erst die Scheiben hoch, dann stiegen wir aus.
    Roxie verließ als letzte

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