0584 - Vampir-Katzen
Cathy überlegte, ob sie weitergehen sollte. Sie und ihre Eltern bewohnten das letzte Gartenhaus auf dem Gelände. Danach schloß sich freies Feld an, bis hin zum dunklen Saum des Waldes, vor dem noch die normale Straße entlanglief.
Sie dachte auch an die Warnungen des Vaters, sich bei Dunkelheit nicht vom Grundstück zu entfernen. Zuviel konnte passieren, zuviel war schon passiert.
Cathy schaute sich um.
Die Fenster sahen aus wie viereckige Lichtflecken. Auch im kleinen Anbau, wo sich die sanitären Anlagen befanden, schimmerte Licht. Die Familie Child hatte es vorgezogen, an den Stadtrand zu ziehen, wo ihr schon seit langem ein Gartenhäuschen gehörte, das im vorigen Jahr umgebaut und wohnlich eingerichtet worden war.
Ihre Eltern wußten, daß sie Mickey suchte. Sie hatten sie selbst losgeschickt. Beide hockten jetzt vor der Flimmerkiste und schauten sich den Krimi an.
Cathy zögerte. Zurückgehen oder weitersuchen. Sie mochte den Kater, liebte ihn. Er war ein wunderschönes Tier mit einem pechschwarzen Fell, das manchmal wie Seide glänzte.
Sein plötzliches Verschwinden beunruhigte sie sehr. Deshalb entschloß sich Cathy, auch weiterhin nach dem Tier Ausschau zu halten. Sie ging an der Hecke entlang. Ihre Hände streiften dabei über die frischen, grünen Blätter.
Es war sowieso eine komische Nacht. Äußerlich unterschied sie sich kaum von den vorherigen. Vielleicht war sie noch dunkler und düsterer. Es konnte auch an den Wolken liegen, die über den Himmel trieben wie ein gewaltiges Gebirge, das zwischendurch zerstückelt worden war.
Die Childs waren die einzige Familie, die ständig auf diesem Gelände wohnte. An den Wochenenden, besonders im Sommer, kamen die Leute aus der City, um sich ein wenig zu entspannen. Um diese Zeit jedoch war es für einen längeren Aufenthalt in den zumeist nicht geheizten Räumen noch ein wenig zu kühl.
»Mickey…« Sie rief den Namen des Katers wieder beim Vorgehen. »Mickey, nun komm doch. Das Leckerchen wartet. Mickey, versteck dich nicht. Komm endlich, ich will ins Bett.«
Der Kater kam nicht. Cathy spürte plötzlich den Druck im Magen.
Sie hatte so etwas noch nie zuvor gefühlt. Es kam ihr vor, als würde ihr jemand den Magen und das Herz zusammenpressen.
Es war die Angst!
Zum erstenmal in ihrem noch nicht sehr langen Leben merkte Cathy, was es hieß, Angst um sich und jemand anderen zu haben.
Sie strich über das dunkelblonde Haar und ging bis zum Ende der Hecke vor, wo auch das kleine Grundstück der Childs endete. Auch hier hatte Harold Child einen Maschendrahtzaun gezogen, um die Trennung genau zu markieren.
Dahinter begann das freie Feld. Es war noch genügend bewachsen, um einem Kater Deckung zu geben. Bestimmt hatte sich Mickey auch dort verkrochen und lauerte auf eine fette Mausebeute.
Wenn er jagen wollte, dann ließ er sich auch nicht von seinem Liebling Cathy stören. Sie versuchte es noch einmal und legte beide Hände auf den oberen Zaundraht.
»Mickey… Mickey …« Sie zog den Namen des Katers beim Rufen in die Länge. Danach stieß sie einige Zisch- und Locklaute aus, auf die das Tier meistens reagiert hatte.
Doch in dieser Nacht nicht…
Cathy konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie schluchzte los und wollte sich endgültig abwenden, um zurückzugehen. Vielleicht bekam sie ihren Vater noch einmal dazu, mit ihr in den Garten zu gehen, obwohl der das Verschwinden des Katers nicht so tragisch sah. Mickey war zwar oft genug für Stunden verschwunden gewesen, doch immer wieder zurückgekommen.
Da hörte sie das Fauchen!
Cathy, die schon den ersten Schritt in Richtung Haus gemacht hatte, blieb auf der Stelle stehen und drehte sich nach rechts. Aus dieser Richtung war das Geräusch erklungen.
Steckte Mickey dort? Eigentlich ja, sonst fauchte niemand. Nur hatte es sich so anders und komisch angehört.
Cathy wollte es genau wissen. Zwar war ihre Angst noch nicht weg, darauf nahm sie keine Rücksicht mehr. Mickey war wichtiger.
Sie näherte sich der Nordgrenze des Gartengrundstücks, wo die Bäume standen. Der hohe Apfelbaum bot an heißen Tagen erholsamen Schatten. Nicht weit entfernt wuchsen die Nadelbäume in die Höhe. Fichten und auch drei Edeltannen, die eine kleine Insel für sich bildeten.
Von dort war das Fauchen erklungen.
Schattenhaft und irgendwie drohend malten sich die Bäume in der Finsternis ab. Sie hatten Cathy niemals Furcht eingejagt. In diesem Fall jedoch konnte sie den Schauer nicht unterdrücken, der
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