0595 - Radio-Grauen
Beide achteten nicht auf das Rotlicht, das leuchtete. Sie waren auf Sendung, und Garry Taylor brachte sich vor zahlreichen Ohrenzeugen um, die sein ersticktes Röcheln hörten und auch den schweren Fall mitbekamen, als er von seinem Stuhl zu Boden kippte. Bewegungslos blieb er liegen…
***
Max Schreiber war aufgesprungen. Entsetzen zeichnete sein Gesicht. Die Haut sah aus, als wäre sie mit blaßgrauer Asche geschminkt worden. Auch hinter der Glasscheibe waren Clara und Armand aufgesprungen. Der Tontechniker reagierte blitzschnell. Er ließ ein Musikstück laufen: die Ouvertüre zu einer Verdi-Oper.
Garry Taylor lag in seinem Blut. Er bot einen furchtbaren Anblick. Die Augen starrten kalt gegen die Decke, eine Hand hielt noch den Griff der Waffe umklammert. Zwischen seinen Knöcheln rannen ebenfalls rote Rinnsale.
Armand riß die Tür auf. Sein Schrei erstickte ihm auf den Lippen, als er zu Max Schreiber rannte und den Moderator in das Tonstudio zerrte, wo er ihn auf einen Stuhl drückte. »Mach du deinen Job!« wandte er sich an Clara. »Leg immer wieder Platten auf oder nimm ein Band mit ernster Musik. Los, schnell!« Für Notfälle dieser Art lagen die Bänder stets bereit.
Max stöhnte, und er schluckte, als er die Öffnung einer Whiskyflasche an seinen Lippen spürte. Der Alkohol brannte in Kehle und Magen, er sorgte zudem für eine leichte Belebung.
»Okay, Junge, es ist okay, du lebst. Komm wieder zu dir.«
Max beugte sich nach vorn. Er gab ein Geräusch von sich, als wollte er sich übergeben. Das brauchte er nicht. Dafür preßte er seine Hände gegen die Wangen.
Auch Armand nahm einen Schluck und reichte die Flasche an Clara weiter, die ebenfalls etwas vertragen konnte. Sie trank, hustete und kümmerte sich anschließend um die Musik. Von der Platte wechselte sie zum Band. Es war jetzt egal, ob die Hörer anriefen, sich beschwerten oder sich nur meldeten, weil sie etwas zum Thema der Sendung sagen wollten. Die Sendung war durch den schrecklichen Vorfall noch mehr aus den Fugen geraten. Die Polizei mußte informiert werden, tausend Dinge würden geschehen. Armand spürte die Last der Verantwortung.
»Was willst du machen?« fragte Clara.
»Die Polizei alarmieren und auch die Sendeleitung.«
»Okay.«
Armands Hand zitterte, als er nach dem Hörer griff. In diesem Moment hätte er sich am liebsten auf eine weit entfernte Insel gewünscht, wo er nichts hörte und sah.
Sie hatten eine Super-Sendung machen wollen und das Grauen hervorgelockt. Es war erschienen wie eine Woge und hatte alles überschwemmt. Armand konnte sich vorstellen, daß dies erst der Anfang gewesen war…
***
Die Köpfe der Männer waren kahlgeschoren. In ihren Augen zeichnete sich nichts von dem ab, was sie dachten. Die Gesichter glichen glattpolierten Flächen, und die gelben Kutten umwehten sie, als wäre der Stoff zu groß ausgefallen.
Ich starrte sie an, sie starrten mich an und den neben mir sitzenden Suko.
Die Mönche waren aus ihrer Heimat Tibet vertrieben worden und hatten in England Asyl gefunden. Sie lebten in einem einsamen Landstrich an der Grenze zu Schottland, wo sie niemand störte und sie genügend Freiraum fanden, um ihren Meditationen nachzugehen. Von Suko wußte ich, daß sie einer Kaste angehörten, die sich mit der Jenseitsforschung beschäftigte, mit Reinkarnation, der mehrmaligen Wiedergeburt und dem Streben nach Wahrheit.
Das alles wäre kein Grund gewesen, einen Besuch bei ihnen abzustatten. Viel schlimmer waren die Vorfälle, die sich in diesem Umfeld ereignet hatten.
Es ging um geheimnisvolle Selbstmorde. Vier waren mittlerweile geschehen; viermal hatten sich Menschen aus freiem Willen in den Tod befördert, um den Stimmen nachzueilen, die aus dem Jenseits zu ihnen gesprochen hatten.
Auslöser waren die Radiosendungen eines gewissen Max Schreiber gewesen, der bei einem privaten Sender beschäftigt war und seine Hörer mit sehr außergewöhnlichen Themen, nicht immer waren sie seriös, bei der Stange hielt.
Empfangen wurden die Berichte im südlichen Schottland und auf einigen Inseln an der Westküste.
Der Sender nannte sich einfach Daily – täglich. Und täglich sendete er für einen bestimmten Teil der Bevölkerung. Zum einen viel Musik und Werbung, wenigstens tagsüber, am Abend wurden dann die außergewöhnlichen Themen ausgepackt, wie eben das Vorspielen der Jenseits-Stimmen.
Wenn vier Personen sich innerhalb kurzer Zeit selbst umbrachten, sprach sich so etwas auch bis London herum. Sir
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